Weihnachtszoff am Gartenzaun

Ebook & Taschenbuch

Stille Nacht? Friede auf Erden? Von wegen! Die Umzugskisten sind noch nicht ausgepackt, da gerät der Architekt Mitchell Montgomery bereits mit seiner neuen Nachbarin Sally Hartwick aneinander. Durch unglückliche Vorfälle und Missverständnisse eskaliert der Krieg am Gartenzaun immer mehr, und gipfelt in einer Auseinandersetzung um den Tannenbaum auf der Grundstücksgrenze. Während Anwälte und Gericht sich um eine Lösung bemühen, fliegen zwischen Sally und Mitch ordentlich die Fetzen – aber auch die Funken, und schließlich brennen nicht nur die Weihnachtskerzen lichterloh …

Kapitel 1

Das letzte Novemberwochenende stand bevor, und wie schon seit Wochen duftete es auch an diesem Freitagnachmittag in der Longview Lane Nummer Vier nach Zimt, Haselnüssen und Vanille.

Mit geübtem Griff zog Sally Hartwick ein Blech mit Erdnuss-Honig-Talern aus dem Ofen und platzierte es zum Abkühlen auf dem Gitteraufsatz des Gasherds. Anschließend machte sie sich daran, die Küche aufzuräumen, und summte dabei gut gelaunt die Melodie von Eartha Kitts ’Santa Baby‘ mit, das gerade im Radio lief. Sie stellte schmutzige Rührschüsseln zusammen, ließ heißes Wasser ins Spülbecken laufen und begann, das Geschirr abzuwaschen. Als sie fast fertig war, ertönte plötzlich ein Brummen, das schnell lauter wurde.

Rasch trocknete sie sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, trat ans Fenster, schob die Gardine beiseite und spähte neugierig hinaus.

Das müssen die neuen Nachbarn sein, ging es ihr durch den Kopf, als sie einen großen Umzugswagen die Straße heraufkommen sah.

Seit knapp zwei Wochen waren im Haus nebenan die Handwerker ein- und ausgegangen, und sie hatte sich die ganze Zeit voller Spannung gefragt, wer wohl dort einziehen würde. Mit den vorherigen Bewohnern, den Gerkees, hatte sie sich gut verstanden. Doch Roger Gerkee saß seit einer Weile wegen Entführung im Gefängnis, und seine Mutter war kurz nach seiner Verhaftung weggezogen. Gerüchten zufolge sollte es im Keller eine regelrechte Folterkammer gegeben haben, und im Ort nannte man es nur noch ‚das Gruselhaus‘. Sally hatte sich die ganze Zeit gefragt, ob überhaupt jemand in solch ein Haus einziehen wolle. Tatsächlich hatte es eine geraume Weile leergestanden, aber nun hatten sich offenbar Käufer gefunden, und sie hoffte, dass die unbekannten Ankömmlinge nett und freundlich sein würden.

Interessiert verfolgte Sally, wie der Möbelwagen durch den Schnee pflügte und schließlich genau vor ihrer Einfahrt stoppte. Moment mal. Was sollte das denn? Die wollten doch nicht etwa … ?

Stirnrunzelnd sah sie zu, wie der Fahrer sowie ein weiterer Mann aus der Kabine kletterten, dann setzte sie sich in Bewegung. Sie eilte zur Haustür, stürmte nach draußen und steuerte mit energischen Schritten auf die beiden Möbelpacker zu, die inzwischen ausgestiegen waren und sich gähnend streckten.

»Hallo«, rief sie, »entschuldigen Sie, aber Sie können da nicht stehen bleiben.«

»Nur zum Ausladen«, erklärte einer der Männer lapidar.

»Und wie lange wird das dauern?«

»Keine Ahnung, vielleicht ein bis zwei Stunden.«

»Das geht auf gar keinen Fall. Fahren Sie doch einfach ein Stück vor, da ist ja genug Platz.«

»Es kommt gleich noch ein zweiter Truck, der muss ja auch irgendwohin.«

»Aber Sie blockieren meine Einfahrt.«

Achselzuckend zündete der Fahrer sich eine Zigarette an. »Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an, es ist ja nicht so, dass wir hier überwintern wollen.«

»Das ist ja wohl …« Empört stemmte Sally die Hände in die Hüften. »Ich will, dass Sie sofort den Wagen da wegfahren.«

»Und wir wollen nur in Ruhe unseren Job erledigen.«

Während Sally weiter mit den beiden Männern diskutierte, glitt ein silberfarbener Audi A6 Quattro Kombi die Straße hinauf, kam auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Stehen, und ein dunkelhaariger Mann Mitte dreißig stieg aus. Zu einem anthrazitfarbenen Anzug trug er ein hellblaues Hemd mit dezent gemusterter Krawatte sowie schwarze, auf Hochglanz polierte Derbys, und wirkte irgendwie völlig fehl am Platz in der ländlich-winterlichen Umgebung.

Sally bekam davon jedoch nichts mit, erst als der Fremde vor ihr stand und sie mit einem freundlichen »Hallo« grüßte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf ihn.

»Ich nehme an, der Möbelwagen gehört zu Ihnen?«, fragte sie aufgebracht.

»Ja. Ich bin der neue Besitzer der Nummer Sechs«, er deutete auf das benachbarte Haus, »Mitchell Montgomery – nennen Sie mich einfach Mitch.«

Sie ignorierte seine ausgestreckte Hand. »Gut, Mr. Montgomery, dann sorgen Sie bitte dafür, dass der Truck vor meiner Einfahrt verschwindet.«

»Es tut mir leid, wenn wir Ihnen Unannehmlichkeiten bereiten, doch es kommt noch ein zweiter Umzugswagen, und wir brauchen etwas Platz.«

»Die ganze Straße ist frei.«

»Aber es ist nirgends geräumt, und ich möchte den Männern nicht zumuten, die Möbel und Kisten etliche Meter durch den Schnee zu schleppen.«

»Das ist nicht mein Problem«, schnappte Sally. »Ich muss in einer Viertelstunde weg, und wenn die Karre bis dahin immer noch meine Zufahrt blockiert, werde ich die Polizei anrufen.«

»Hören Sie …«

»Fünfzehn Minuten«, betonte Sally, während sie sich umdrehte, »nicht eine Sekunde länger.«

 

***

Verblüfft schaute Mitch der Frau hinterher, die in ihren Rentierpantoffeln über den verschneiten Gehweg stapfte und im benachbarten Haus verschwand. Das fing ja schon gut an. Er hatte die Absicht, hier ein ruhiges und friedliches Leben zu führen; Ärger mit den Nachbarn war das Letzte, was er gebrauchen konnte.

»Mit der ist nicht gut Kirschen essen, was?«, grinste der Fahrer des Umzugswagens ihn an.

»Naja, immerhin ist es ihre Einfahrt, also fahren Sie den Truck bitte ein Stück nach vorne.«

Während der Mann seiner Anweisung Folge leistete, stiefelte Mitch durch den knöchelhohen Schnee zur Garage, um nachzusehen, ob sich dort irgendetwas befand, womit er den Weg zum Haus freiräumen konnte.

Tatsächlich waren sowohl ein Schneeschieber als auch ein entsprechender Besen vorhanden, und er machte sich an die Arbeit. Wenig später hatte er einen kleinen Pfad freigeschaufelt und die beiden Möbelpacker begannen mit dem Ausladen. Nachdem er den restlichen Gehweg sowie die Einfahrt ebenfalls vom Schnee befreit hatte, waren seine Schuhe völlig durchweicht und seine Füße nass, ebenso wie das untere Ende seiner Hosenbeine.

Der zweite Umzugswagen erschien, und fast zeitgleich fuhr ein weißer Lexus GS vor, aus dem eine Frau Mitte Fünfzig ausstieg, sowie ein etwa siebenjähriger Junge, der ihr zögernd folgte.

»Da seid ihr ja«, begrüßte Mitch die beiden. Er drückte seiner Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange und wandte sich dann seinem Sohn zu. »Und, was meinst du? Denkst du, es wird dir hier gefallen?«

Ohne große Begeisterung zuckte der Kleine mit den Schultern. »Weiß nicht.«

Mitch deutete auf eine hohe Tanne direkt am Zaun. »Schau mal. Sobald wir alles ausgepackt und uns häuslich eingerichtet haben, können wir den Baum dort schmücken. Was hältst du davon?«

Wieder ein Achselzucken. »Meinetwegen.«

Mit einem unterdrückten Seufzen nickte Mitch ihm zu. »Geh schon mal nach oben und sieh dir dein Zimmer an. Du wirst es ganz leicht erkennen, es ist nämlich der einzige Raum, der bereits komplett fertig ist. Grandma und ich kommen gleich nach.«

»Okay.«

Lustlos trottete der Junge ins Haus, und Mitch wandte sich seiner Mutter zu. »Danke, dass du ihn hergebracht hast, so konnte ich noch meinen Termin wahrnehmen, ohne zu viel Stress zu haben.«

»Du weißt doch, dass ich dich gerne unterstütze. Schließlich ist das einer der Gründe, weswegen du dich entschieden hast, Denver hinter dir zu lassen und hierher zu ziehen. Jetzt bin ich nur noch eine knappe Stunde von euch entfernt und kann jederzeit auf Jason aufpassen, wenn du geschäftlich unterwegs bist.«

»Was künftig hoffentlich nur selten vorkommen wird«, erklärte Mitch, »ich werde definitiv etwas kürzer treten.«

»Auf jeden Fall bin ich da, wenn du mich brauchst, und dein Vater natürlich auch«, versicherte Alice Montgomery, während sie ins Haus gingen.

Sie stiegen die Treppe hinauf und betraten das Kinderzimmer. Die Wände des großzügig geschnittenen Raums waren in einem dezenten Hellblau gestrichen, auf halber Höhe war eine Bordüre mit bunten Flugzeugen angebracht. Auf dem hellen Holzboden lag ein weicher, dunkelblauer Teppich, das breite Fenster ließ trotz des schneeverhangenen Novemberhimmels jede Menge Licht herein. Direkt daneben befand sich ein kleiner Schreibtisch, darüber waren mehrere Regale befestigt. Es gab eine weiß lackierte Kommode, einen dazu passenden Kleiderschrank, sowie ein Bett in der Form einer Rakete; die Bettwäsche war mit einem Nachthimmel voller Galaxien bedruckt. In einer Ecke standen drei Umzugskisten; Jason kniete davor und kramte darin herum.

»Wenn die Möbelpacker mit dem Ausladen fertig sind, helfe ich dir beim Auspacken«, versprach Mitch, bevor er mit seiner Mutter das Zimmer verließ und sie durch das restliche Haus führte.

In der oberen Etage gab es neben einem Bad noch ein weiteres Schlafzimmer mit einem begehbaren Kleiderschrank, an den sich ein zweites Badezimmer anschloss. Der dritte Raum war etwas kleiner und würde Mitchs künftiges Arbeitszimmer werden.

Das Erdgeschoss beherbergte einen großen Wohnraum mit Kamin, von dem aus man über zwei Stufen in den Essbereich und die geräumige, offene Küche gelangte. Außerdem gab es noch einen Wirtschaftsraum, ein Gäste-WC sowie das Kellergeschoss mit dem Heizungsraum, einer Waschküche und einem weiteren Raum.

»Und – wie gefällt es dir?«, fragte Mitch gespannt, nachdem sie ihren Rundgang beendet hatten.

»Es ist wirklich schön, ihr werdet euch hier bestimmt sehr wohl fühlen.« Seine Mutter trat ans Küchenfenster und sah hinaus. »Wie sind die Nachbarn? Hast du sie schon kennengelernt?«

»Ja – zumindest eine davon, und die Begegnung verlief nicht gerade optimal«, seufzte Mitch und berichtete von seinem Zusammenstoß mit Sally. »Sie trug eine kanariengelbe Jogginghose, einen selbst gestrickten Pullover mit zwei riesigen Zuckerstangen darauf, und Rentierpantoffeln«, fügte er dann noch hinzu. »Irgendwie hat sie mich an diese durchgeknallten Hillbillies in den Filmen erinnert, ich habe nur darauf gewartet, dass sie ihre Schrotflinte auspackt.«

Sein leicht gequälter Tonfall brachte Alice zum Lachen. »Tja«, schmunzelte sie, »du bist nun nicht mehr in der Großstadt, sondern auf dem Land, da kleiden sich die Frauen nicht unbedingt nach der neuesten Mode. Aber die Leute hier sind normalerweise sehr friedfertig, vielleicht hatte sie nur einen schlechten Tag.«

»Eher Haare auf den Zähnen«, brummte Mitch.

»Ach was. Mach dir keine Gedanken, das gibt sich bestimmt wieder. Bring ihr einfach in den nächsten Tagen einen Blumenstrauß vorbei, entschuldige dich, und dann ist der kleine Zwischenfall schnell vergessen.«

»Ja«, Mitch nickte, »wahrscheinlich hast du recht.«

 

 

Kapitel 2

Unterdessen saß Sally in ihrem braunen Chevrolet C/K und war unterwegs zur Grundschule, um ihre Tochter abzuholen. Gemächlich rollte sie die Mainstreet in Elkpoint entlang, vorbei an diversen Läden und dem Rathaus, und erfreute sich an der üppigen Weihnachtsdekoration, die bereits überall angebracht war.

Als sie an der Schule ankam, kündigte das lautstarke Schrillen einer Klingel gerade das Ende des Unterrichts an. Wenig später flog das hölzerne Portal auf und die ersten Kinder strömten heraus. Es dauerte nicht lange, bis Amy erschien, zielstrebig auf den Pick-up zusteuerte, eine der hinteren Türen aufriss, ihre Schultasche auf die Rückbank warf und sich geräuschvoll daneben fallen ließ.

»Schnall dich an«, mahnte Sally automatisch, während sie den Motor startete.

Nachdem sie losgefahren war, erkundigte sie sich wie gewohnt nach Amys Tag in der Schule.

»Peter Mullins hatte gestern Geburtstag, und er hat ein Handy bekommen«, berichtete Amy. »Ich möchte auch eins.«

»Du weißt, dass Handys teuer sind, und wir uns das nicht leisten können. Außerdem finde ich, du bist noch zu jung dafür.«

»Aber fast alle in der Klasse haben eins.«

Sally seufzte. Mit ein bisschen Glück konnte sie eventuell bis Weihnachten genug Geld zusammenkratzen, um Amy ein gebrauchtes Gerät zu kaufen. »Schreib es auf deine Wunschliste, vielleicht bringt Santa dir eins.«

»Hab ich. Und einen Frozen-Schulranzen, du weißt schon, den mit der Eiskönigin. Und ich wünsche mir Prinzessin Alice mit dem fliegenden Einhorn …«

Während Amy munter vor sich hin plapperte, lenkte Sally den Wagen aus Elkpoint hinaus und bog dann auf den Highway 93 in Richtung Challis ab, wo ihre Mutter lebte.

Trotz Sallys regelmäßiger Proteste bestand Rosalind Hartwick darauf, dass eine alleinerziehende Mutter auch Zeit für sich brauchte, daher verbrachte Amy fast jedes Wochenende bei ihrer Großmutter.

»Du bist noch jung, du kannst nicht nur zu Hause sitzen, sondern solltest unter Leute gehen und Spaß haben«, erklärte Rosalind ständig, und obwohl Sally selten ausging, hatte sie es inzwischen aufgegeben, zu widersprechen.

Statt sich jedoch irgendwo zu amüsieren, nutzte sie die freien Stunden meistens, um neue Rezepte auszuprobieren. Sie liebte es, zu kochen und zu backen, und verdiente ihren Lebensunterhalt, indem sie Kuchen, Torten und diverse andere Backwaren an das Diner in der Mainstreet verkaufte. Die Gäste dort rissen sich förmlich um ihre Leckereien, und so kam sie finanziell halbwegs über die Runden. Große Sprünge konnte sie natürlich nicht machen, zumal sie immer noch den Kredit für das Haus abbezahlte, doch sie war die meiste Zeit daheim und konnte sich ausgiebig um Amy kümmern, also war es eine ideale Lösung.

Wenn sie nicht in ihrer winzigen Küche herumfuhrwerkte, verbrachte sie die freien Wochenenden damit, das Haus sowie den Garten in Ordnung zu halten. Abends saß sie dann mit ihrem Strickzeug vor dem Fernseher und ließ die Nadeln klappern, während sie sich irgendeinen Film anschaute.

An den Samstagen traf sie sich regelmäßig mit Allison Moore, die als Bedienung im Diner arbeitete und ebenfalls alleinerziehend war. Ihre Tochter Nora war mit Amy in einer Klasse, und da die beiden Mädchen sich gut verstanden, hatten sich auch die Mütter angefreundet und unterstützten sich gegenseitig, wenn Not am Mann war.

Nora war an den Wochenenden häufig bei ihrem Vater in Howe, und so verbrachten die zwei Frauen die meisten Samstagabende gemeinsam vor dem Fernseher, schauten sich alte Filme mit Gregory Peck an, für den sie beide ein Faible hatten, aßen Eis oder Pizza und plauderten über Gott und die Welt. Sporadisch besuchten sie den samstäglichen Tanzabend im Naughty Moose, der Bar im Ort, wo sich sowohl Touristen als auch Einheimische trafen. Es war immer sehr gesellig, doch Sally war gerne zu Hause und so kam es nicht allzu oft vor, dass sie das Tanzbein schwang.

Nachdem sie Amy bei ihrer Mutter abgeliefert und sie noch einmal ermahnt hatte, sich anständig zu benehmen, machte sie sich auf den Rückweg nach Elkpoint. Als sie dort eintraf, war es bereits dunkel geworden und die Temperaturen um einige Grad gesunken. Kälte und Feuchtigkeit breiteten sich aus, und so freute sie sich doppelt auf das ausgedehnte Entspannungsbad, das sie sich jeden Freitagabend gönnte.

Sie parkte den Pick-up unter dem Carport, eilte ins Haus, und lag wenig später zufrieden in der Badewanne. Während sie mit geschlossenen Augen das heiße Wasser und den Duft des Vanille-Badeöls genoss, schweiften ihre Gedanken zu dem Zwischenfall mit dem neuen Nachbarn.

Vermutlich war ich ja doch ein bisschen zu streng, dachte sie reuevoll. Sicher, der Umzugswagen hatte ihre Einfahrt blockiert, und die beiden Möbelpacker waren nicht gerade kooperativ gewesen. Aber sie hätte ihren Ärger nicht an dem Mann auslassen sollen, er hatte eigentlich einen recht freundlichen Eindruck gemacht. Wahrscheinlich war er ganz nett, seine Frau sicher ebenso, und da sie nun nebeneinander wohnten, wünschte Sally sich, sie würden gut miteinander auskommen.

Am besten ging sie morgen einfach hinüber, nahm ein paar Plätzchen als Willkommensgeschenk mit und stellte sich vor. Bei der Gelegenheit könnte sie sich dann auch gleich für ihre übertriebene Reaktion entschuldigen, und vielleicht – bei dem Gedanken lächelte sie zuversichtlich – würden sie und die neuen Nachbarn ja bald gute Freunde werden.

 

***

Am Samstag war Sally bereits früh auf den Beinen. Wie jeden Morgen stand sie nach einer raschen Dusche in der Küche und bereitete ihre Lieferung für das Diner vor. Nachdem sie eine Form mit Cinnamon Rolls aus dem Ofen geholt hatte, schob sie die Blueberry-Cheesecake hinein und packte dann die White-Chocolate-Muffins, die schon fertig waren, in eine Kiste.

Gegen halb neun hatte sie alles erledigt und füllte eine kleine Cellophantüte mit Mince Pies, Erdnuss-Honig-Talern und Gingerbread Cookies. Sie verschloss den Beutel mit einer weihnachtlichen Schleife, zog sich ihre Jacke über und verließ das Haus, um wie geplant den neuen Nachbarn einen Besuch abzustatten.

Als sie nach draußen kam, fuhr gerade der silberne Kombi in die Einfahrt des Nachbargrundstücks. Mitch stieg aus, und sie winkte ihm freundlich zu.

»Guten Morgen«, rief sie und wollte geradewegs auf ihn zugehen, als ihr Blick auf den etwa hüfthohen Holzzaun fiel, der die beiden Grundstücke voneinander trennte. Ungefähr zwei Meter davon, beginnend am Gehweg, lagen zerstört am Boden, ebenso wie ein Teil der kleinen Rosenhecke, die sie erst im letzten Sommer angepflanzt hatte.

Sie ging näher, um den Schaden zu inspizieren, und stellte fest, dass offenbar ein Auto darüber gefahren war. Die Reifenspuren waren im Schnee deutlich zu erkennen, und der Größe nach zu urteilen, stammten sie ganz offensichtlich von einem Truck.

»Das ist ja wohl die Höhe«, entfuhr es ihr fassungslos, »diese unverschämten Mistkerle.«

Ihre guten Absichten vergessend schob sie die Plätzchen in ihre Jackentasche und stampfte mit großen Schritten auf Mitch zu.

»Sie«, rief sie dabei entrüstet, »haben Sie gesehen, was Ihre Möbelpacker-Rowdys angestellt haben?«

 

***

 

Mitch, der gerade die Einkaufstüten aus dem Kofferraum seines Wagens nehmen wollte, zuckte zusammen, als er die anklagende Stimme hörte. Langsam drehte er den Kopf, und sah Sally wie eine Kanonenkugel auf sich zu schießen. Heute trug sie eine dicke, orangefarbene Daunenjacke sowie ausgewaschene Jeans, die ihr drei Nummern zu groß waren, und in quietschgrünen Moonboots steckten. Ihre Miene war unheilverkündend, ebenso wie ihr Tonfall, und mit einem tiefen Atemzug wappnete er sich gegen das, was ihm bevorstand.

»Guten Morgen«, grüßte er höflich, »was ist denn los?«

»Fragen Sie bloß nicht so unschuldig, Sie wissen genau, wovon ich rede.«

»Äh … leider nicht. Worum geht es?«

»Darum.« Aufgebracht deutete Sally in Richtung des ramponierten Gartenzauns. »Ihre ungehobelten Möbelheinis haben meinen Zaun demoliert.«

Stirnrunzelnd folgte Mitch mit seinem Blick Sallys ausgestreckter Hand. Mit einem leisen Seufzen betrachtete er die Holzstücke und plattgewalzten Zweige, die im Schnee lagen.

Na toll. Offenbar hatte der Möbelwagen beim Wenden tatsächlich einen Teil der Abgrenzung eingerissen. Zwar war das Ganze kein Weltuntergang, aber es hatte wohl gereicht, um seiner kampflustigen Nachbarin einen erneuten Anlass zum Streiten zu liefern.

»Das tut mir wirklich sehr leid«, entschuldigte er sich und gab sich Mühe, zerknirscht zu klingen, »es ist mir bisher nicht aufgefallen. Vermutlich hat der Fahrer den niedrigen Zaun übersehen. Ein kleines Missgeschick, das jedem mal … «

»Übersehen? Missgeschick? Das war doch volle Absicht.«

»Ganz bestimmt nicht.«

»Und ob. Die Kerle waren sauer, weil ich sie weggescheucht habe, und wollten es mir heimzahlen.«

Mitch konnte es sich nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen. »Jetzt machen Sie nicht so ein Drama wegen ein paar Stücken Holz und einem bisschen Grünzeug.«

»Dieses Grünzeug«, schnaubte Sally, »ist eine Rosa Rugosa, die ich erst letzten Sommer angepflanzt habe. Sie werden mir den Schaden ersetzen.«

»Natürlich.« Mitch nahm seine Brieftasche heraus und reichte ihr einen Fünfzigdollar-Schein. »Das sollte reichen.«

»Und was ist mit den Zaun? Der baut sich nicht von alleine wieder auf.«

»Meinetwegen, ich bringe ihn in Ordnung, und damit dürfte das Thema jetzt wohl erledigt sein.« Ohne Sallys Antwort abzuwarten wandte Mitch sich um und kehrte zu seinem Auto zurück. »Vielleicht sollte ich lieber einen Stacheldraht ziehen«, brummte er dabei kopfschüttelnd.

»Das habe ich gehört«, kam es empört vom Zaun.

»Gut«, rief er über die Schulter, »einen schönen Tag noch.«

Rasch, da seine Geduld allmählich erschöpft war, schnappte er seine Tüten aus dem Kofferraum und brachte sie ins Haus.

Klasse, dachte er, während er seine Einkäufe auspackte und verstaute. Er war keine vierundzwanzig Stunden hier und hatte bereits den ersten Ärger am Hals. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Frustriert betrachtete er den kleinen Blumenstrauß, den er extra gekauft hatte. So viel zu dem tollen Plan seiner Mutter. Sein Blick schweifte durchs Fenster hinüber zum Nachbarhaus, wo Sally gerade dabei war, irgendwelche Plastikkisten in ihr Auto zu laden, und er verzog das Gesicht.

Diese Frau war eine tickende Zeitbombe. Gott allein wusste, was ihr als Nächstes einfallen würde, um einen Streit vom Zaun zu brechen, und dass ihr etwas einfallen würde, daran hatte er keinen Zweifel.

Er starrte einen Moment lang unschlüssig auf die Blumen, dann öffnete er den Mülleimer und warf sie hinein.

 

***

Kurz darauf machte Sally sich auf den Weg zum Diner, um ihre Backwaren abzuliefern. Innerlich immer noch brodelnd übergab sie Walter Reagan, dem Inhaber des Restaurants, die gefüllten Plastikkisten und nahm die leeren vom Vortag in Empfang, ebenso wie ihr Geld.

Anschließend fuhr sie ein Stück weiter die Mainstreet entlang und parkte dann vor Salingers Store, um ein paar Dinge einzukaufen. Drinnen waren wie üblich einige Frauen aus dem Ort versammelt, die ein Schwätzchen hielten und den brandneuesten Klatsch austauschten. Als Sally den Laden betrat, wandte sich die allgemeine Aufmerksamkeit sofort ihr zu.

»Wir haben gerade von dir gesprochen«, informierte Wanda Purcell, die Besitzerin des Coiffeur & Beauty-Salons sie eilfertig, »oder besser gesagt von deinem neuen Nachbarn.«

Ada Salinger, die Inhaberin des Stores, nickte. »Er war vorhin hier und hat eingekauft.«

»Hast du ihn denn schon kennengelernt?«, wollte die Frau des Bürgermeisters, Nancy Beacham, wissen.

Sally schnaubte. »Oh ja. Ein ungehobelter Klotz.«

»Wirklich?«, fragte Ada überrascht. »Er hat einen ganz netten Eindruck gemacht, und attraktiv ist er auch.«

»Er ist unverschämt und arrogant«, erwiderte Sally gereizt, »ich frage mich nur, wie seine arme Frau es mit ihm aushält.«

»Es gibt keine Frau«, berichtete Constance Roper, die Apothekerin, triumphierend.

Ada runzelte die Stirn. »Woher weißt du das denn? Ich habe versucht, ihn ein wenig auszufragen, aber er hat kein Sterbenswörtchen verraten.«

»Die Schwester einer Bekannten von mir arbeitet für den Makler, der ihm das Haus verkauft hat«, verriet Constance. »Er ist Architekt, kommt aus Denver und ist allein mit seinem Sohn.«

»Also ein Junggeselle«, stellte Gloria Millford, eine Blondine in Sallys Alter, zufrieden fest.

»Vielleicht ist er ja geschieden«, wandte Nancy ein.

Gloria zuckte mit den Achseln und lächelte. »Egal. So oder so wird er bestimmt froh sein, wenn sich jemand ein bisschen um ihn kümmert und ihm hilft, sich hier einzuleben.«

»Wie deine Hilfe aussieht, können wir uns alle nur zu gut vorstellen«, murmelte Wanda.

Als Sally hörte, dass ihr neuer Nachbar ebenfalls alleinerziehend war, keimte sekundenlang ein Gefühl der Solidarität in ihr auf. Doch dann dachte sie an die Bemerkung mit dem Stacheldraht, und das Mitgefühl verschwand augenblicklich.

»Na dann viel Spaß«, sagte sie trocken zu Gloria, »am besten beginnst du damit, ihm erst einmal ein paar Manieren beizubringen.«

Constance Roper verzog das Gesicht. »Wie wir Gloria kennen, wird sie ihm sicher noch ganz andere Dinge beibringen wollen.«

»Aber Conny.« Vorwurfsvoll schüttelte Ada den Kopf und wandte sich dann an Sally. »Was kann ich für dich tun?«

Sally nahm ihre Einkaufsliste heraus und las vor. »Zwanzig Eier, zwei Kilo Butter, fünf Pfund Mehl, drei Pfund Zucker, vier Hefewürfel, zwei Päckchen Haselnüsse, zwei Mal Kokosflocken und einen Sack Äpfel.«

»Ah, fleißig wie immer«, kommentierte Wanda, während Ada die gewünschten Dinge zusammensuchte. »Nimmst du auch wieder am Weihnachtsplätzchen-Backwettbewerb teil?«

»Ja, sicher.«

»Deine Kekse sind so köstlich, du wirst bestimmt gewinnen«, schwärmte die Friseurin.

Gloria verdrehte die Augen. »Ja, wie jedes Jahr. Meiner Meinung nach sollte jemand, der schon einmal den ersten Platz gemacht hat, nicht mehr teilnehmen dürfen, damit andere auch mal eine Chance haben.«

»Tja«, sagte Wanda süffisant, »die Männer aus der Jury zu umgarnen reicht eben nicht aus.«

»Pah«, schnappte Gloria, »ihr seid ja nur neidisch.«

Sie nahm ihre Einkäufe und stöckelte grußlos aus dem Laden.

Constance Roper seufzte. »Die wird sich wohl nie ändern. Ich wette, sie macht sich direkt an den Neuen heran.«

»Meinetwegen kann sie ihn haben«, erklärte Sally, »mit ein bisschen Glück zieht er dann bei ihr ein und ich habe wieder meine Ruhe.«

 

 

Kapitel 3

Am Nachmittag machte Mitch sich zähneknirschend daran, den Gartenzaun zu reparieren. Während Jason Kugeln aus Schnee rollte und zu einem Schneemann auftürmte, nagelte er die abgerissenen Holzlatten wieder fest. Dabei fiel sein Blick irgendwann zufällig auf Sallys Haus und er bemerkte, dass sich die Gardine an einem der Fenster bewegte.

Die Hexe beobachtet mich, schoss es ihm durch den Kopf. Grimmig schlug er mit dem Hammer auf einen Nagel ein. Dies war das letzte Mal, dass er klein beigab, schwor er sich. Beim nächsten Vorfall würde er nicht mehr so höflich bleiben, sondern der streitlustigen Furie mal deutlich sagen, was er von ihrem Benehmen hielt. Damit würde er die Fronten klären und ihr hoffentlich klarmachen, dass er nicht die Absicht hatte, sich ständig von ihr terrorisieren zu lassen.

Nachdem er den Zaun in Ordnung gebracht hatte, räumte er sein Werkzeug weg und kehrte ins Haus zurück. Er bereitete heißen Kakao für Jason und eine Tasse Kaffee für sich selbst zu, danach fuhren sie fort, die diversen Umzugskisten, die sich überall stapelten, auszupacken.

Es war etwa sieben, als es an der Tür klingelte.

Hoffentlich ist es nicht die Ziege von nebenan, ging es Mitch durch den Kopf, während er den Flur durchquerte. Als er öffnete, war es zu seiner Überraschung jedoch sein alter Freund Clint Cantrell, der vor ihm stand.

»Was machst du denn hier?«, fragte er, nachdem die beiden Männer sich mit einer freundschaftlichen Umarmung begrüßt hatten.

»Ich dachte, ich sehe mal nach, ob du Hilfe gebrauchen kannst.«

Mitch zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nicht – es sei denn, du könntest das Zeug aus den Umzugskartons in die Schränke zaubern. Die Kisten scheinen sich irgendwie zu vermehren, beim Einpacken kam es mir viel weniger vor.«

Im gleichen Moment kam Jason die Treppe hinunter gestürmt.

»Clint!«

»Na Cowboy«, Clint boxte ihm liebevoll auf den Arm, »alles klar bei dir? Hast du den Umzug gut überstanden?«

»Ja, geht so. Willst du mein neues Zimmer sehen?«

»Später. Wir sollten erst essen, sonst wird alles kalt.« Clint schwenkte eine Tüte. »Hier drin sind Burger vom Diner, und Apfelkuchen, es ist der beste weit und breit. Ich hoffe, ihr habt Hunger.«

Jason nickte eifrig, und Mitch schmunzelte. »So etwas musst du gar nicht fragen – Jason futtert mir momentan die Haare vom Kopf.«

Kurz darauf saßen sie am Esstisch, ließen sich Hamburger und Kuchen schmecken, unterhielten sich ein wenig, und irgendwann stieß Mitch einen zufriedenen Seufzer aus.

»Du hast recht, der Apfelkuchen ist wirklich der beste, den ich je gegessen habe.«

»Er stammt von deiner Nachbarin«, Clint machte eine vage Handbewegung in Richtung Küchenfenster, »Sally Hartwick. Sie beliefert das Diner täglich mit hausgebackenen Kuchen, Torten und allerlei anderen Leckereien.«

Mitch verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen, und wechselte rasch das Thema. Die streitlustige Xanthippe von nebenan war die letzte Person, über die er jetzt sprechen wollte.

Sie unterhielten sich über alle möglichen Dinge, und nachdem sie die Mahlzeit beendet hatten, zeigte Jason Clint sein Zimmer. Anschließend überredete er die beiden Männer, eine Runde Monopoly zu spielen, aus der zwei wurden. Schließlich verfrachtete Mitch ihn in sein Bett, und ging wieder hinunter ins Wohnzimmer, wo Clint es sich inzwischen auf dem großen Ledersofa bequem gemacht hatte. Mitch schleppte etwas Feuerholz herein, das die Vorbesitzer in der Garage zurückgelassen hatten, und fachte ein Feuer im Kamin an. Danach kramte er kurz in den Kisten herum, bis er zwei Gläser sowie eine Flasche Whiskey zutage gefördert hatte. Er schenkte großzügig ein und ließ sich dann auf dem Sessel gegenüber der Couch nieder.

Genüsslich nippten beide an der goldgelben Flüssigkeit und einen Moment lang war im Raum nichts zu hören bis auf das Prasseln des Kaminfeuers.

»Also«, brach Clint schließlich die Stille, »was ist los? Du machst keinen sehr glücklichen Eindruck. Bereust du deinen Umzug bereits?«

Mitch schüttelte den Kopf. »Nein, es ist alles in Ordnung.«

»Komm schon, ich habe doch deinen Gesichtsausdruck gesehen, als ich vorhin deine Nachbarin erwähnte. Was ist passiert?«

Zögernd nahm Mitch einen Schluck aus seinem Glas. Einerseits wollte er nicht herumjammern, erst recht nicht wegen so einer lächerlichen Geschichte. Andererseits brannte er darauf, seine Frustration loszuwerden, und abgesehen davon wusste er genau, dass er Clint nichts vormachen konnte.

Die zwei Männer waren seit ihrer Studienzeit miteinander befreundet. Sie hatten beide die University of Idaho in Idaho Falls besucht und sich dort im Wohnheim ein Zimmer geteilt. Clint hatte Landwirtschaft studiert, Mitch Architektur. Nach dem Abschluss hatten sich ihre Wege getrennt, da Mitch nach Denver gezogen war, wo er einen Job in einem renommierten Architekturbüro angenommen hatte. Clint hingegen hatte zunächst für seinen Vater gearbeitet und sich dann eine Ranch in Elkpoint gekauft, auf der er Pferde züchtete. Ganz aus den Augen verloren hatten sie sich jedoch nie, und als Mitch vor einer Weile erwähnt hatte, dass er beabsichtigte, die Großstadt zu verlassen und sich in der Nähe seiner Eltern anzusiedeln, war es Clint gewesen, der ihm den Tipp mit dem Gerkee-Haus gegeben hatte.

»Raus mit der Sprache«, forderte der Freund ihn erneut auf, »was hast du angestellt?«

Mitch warf ihm einen verletzten Blick zu. »Ich? Frag doch mal dieses zänkische Weib von nebenan.« Er berichtete von seinen Zusammenstößen mit Sally, und als er Clints amüsierte Miene bemerkte, fügte er missmutig hinzu: »Du brauchst gar nicht so zu grinsen, das ist nicht witzig. Ich bin hierher gezogen, weil ich für Jason und mich einen Ort für einen ruhigen und friedlichen Neuanfang gesucht habe. Und was habe ich bekommen? Eine keifende Nachbarin, die mir das Leben zur Hölle macht.«

»Naja, so unschuldig bist du ja wohl auch nicht an der Situation«, gab Clint zu bedenken. »Außerdem ist Sally doch ganz verträglich.«

»Kennst du sie näher?«

»Flüchtig, sie ist samstags ab und zu mal im Naughty Moose, und da wirkt sie eigentlich immer recht friedfertig.«

»Dieses Weib ist ein Piranha, und wartet nur darauf, mich zu skelettieren.«

»Ach was«, lachte Clint, »wahrscheinlich hast du sie nur auf dem falschen Fuß erwischt. Das wird sich alles noch einpendeln, glaub mir.«

Mitch verzog das Gesicht. »Pendelt sich der Klatsch hier im Ort auch ein?«, brummte er. »Als ich heute Morgen im Store war, um einzukaufen, ist ein ganzes Rudel Frauen über mich hergefallen und hat mich ausgequetscht.«

»Damit wirst du dich anfreunden müssen«, erklärte Clint schmunzelnd. »Die Damen hier in Elkpoint sind sehr neugierig und werden garantiert nicht eher Ruhe geben, bis sie alles über dich wissen – einschließlich der Farbe deiner Unterhosen.«

»Na toll.«

»Hör auf, dich zu beklagen, du wolltest schließlich eine Kleinstadtidylle.« Clint nippte an seinem Glas. »Aber ich hätte da eine Idee – was hältst du von einer Housewarming Party am kommenden Wochenende? Auf diese Weise könntest du dem Getratsche ein bisschen den Wind aus den Segeln nehmen.«

»Ich kenne hier doch niemanden.«

»Kein Problem, ich kümmere mich um die Gästeliste. Und die Sachen für ein kleines Buffet bestellen wir im Diner, dann kannst du Sally ebenfalls einladen, ihr ein paar Komplimente für ihre Backfertigkeiten machen und schon ist der ganze Ärger vergessen.«

Nachdenklich drehte Mitch sein Glas in den Fingern hin und her. Eigentlich war er nicht der Typ für Partys, er hatte zu viele über sich ergehen lassen müssen, um noch Spaß daran zu finden. Andererseits war es eine Gelegenheit, einige Leute in Elkpoint kennenzulernen, und vielleicht war es ja tatsächlich eine Möglichkeit, für nachbarlichen Frieden zu sorgen.

»Also schön«, nickte er daher und prostete dem Freund zu, »auf die Housewarming Party.«