Lügen haben hübsche Beine
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Klappentext
Mit gemischten Gefühlen begibt sich Jillian Moore zum Casting der neuen Staffel »Das Super-Model«, um hinter den Kulissen im Fall eines verschwundenen Mädchens zu ermitteln. Ehe sie sich versieht, stolpert sie in einen turbulenten Strudel aus Glamour, Ehrgeiz und dubiosen Machenschaften. Als sie sich zu allem Überfluss auch noch verliebt und sich von einer Lüge zur nächsten hangeln muss, scheint ihr Leben völlig aus den Fugen zu geraten …
Leseprobe
1
Es war Zeit für das allmorgendliche Meeting. Walter Abbott, der Chef der Sonderermittlungsgruppe betrat den Raum und trommelte alle zusammen. Die Ermittler versammelten sich rund um eine Gruppe Schreibtische, rückten ein paar Stühle heran und die Besprechung begann.
Zunächst wurden die aktuellen Fälle diskutiert, dann machte Walter ein ernstes Gesicht.
»Wie ihr vielleicht wisst, findet in den kommenden Tagen das Casting für die nächste Staffel dieser Sendung ‚Das Super-Model‘ statt. Letztes Jahr in Bartonville ist dabei auf unerklärliche Weise ein Mädchen verschwunden und bis heute nicht mehr aufgetaucht. Der Fall wurde auf Eis gelegt, weil sich nirgends ein konkreter Anhaltspunkt finden ließ. Jetzt beginnt die neue Staffel, und da das Ganze dieses Mal hier in Lakeside stattfindet, haben wir die Sache auf dem Tisch. Wir sollen die Ermittlungen wieder aufnehmen, und nach Möglichkeit verhindern, dass erneut etwas Derartiges passiert.«
Walter Abbott, von den Ermittlern liebevoll »Walt« genannt, machte eine kleine Pause, und sie schauten ihn gespannt an.
»Obwohl es sich nur um einen regionalen Abklatsch handelt, steht diese Model-Show im Mittelpunkt des Medieninteresses. Daher können wir natürlich nicht einfach da rein stürmen und alles auf den Kopf stellen, wir werden also einen Ermittler einschleusen müssen.«
Tom Steward, der dafür bekannt war, dass er bei den Frauen nichts anbrennen ließ, grinste breit.
»Ich melde mich freiwillig, die ganze Zeit unter hübschen Models, das ist mein Traumjob.«
Schmunzelnd schaute Walt ihn an.
»Das glaube ich dir aufs Wort, aber wir brauchen jemanden, der ermittelt, und nicht jemanden, der mit den Mädels flirtet und sich ablenken lässt.« Er wurde wieder ernst. »Nach reiflicher Überlegung habe ich mich dazu entschlossen, Jillian Moore den Auftrag zu geben. Ich denke, sie ist aufgrund ihres jungen Alters am besten geeignet, sich unauffällig in diesen Kreisen zu bewegen. Außerdem dürfte es ihr als Frau leichter fallen, Kontakt zu den Mädchen herzustellen und deren Vertrauen zu gewinnen.«
Jillian Moore, die einzige weibliche Ermittlerin in der Männerrunde, zuckte zusammen. Sie war erst vor kurzem hierher versetzt worden, und war sozusagen grün hinter den Ohren. Bisher hatte sie noch keinen Alleineinsatz gehabt und ihr gefiel der Vorschlag des Chefs in keinster Weise.
Walt bemerkte ihr erschrockenes Gesicht. »Jill, ist das ein Problem für dich?«, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Nein, nein, natürlich nicht«, murmelte sie hastig.
Es war sowieso schon schwer genug, sich gegenüber den männlichen Kollegen durchzusetzen. Nach wie vor war dieser Job eine Männerdomäne, und sie wollte sich jetzt auf keinen Fall die Blöße geben, zu kneifen und wie ein Idiot dazustehen.
»Gut«, nickte Walt zufrieden, »komm dann gleich mit in mein Büro, ich werde noch die Einzelheiten mit dir besprechen. – Okay Männer, das war es für heute, an die Arbeit!«
»Männer«, wiederholte Jill in Gedanken resigniert und folgte ihrem Chef in den kleinen Glaskasten am hinteren Ende des Raumes.
»Setz dich!«, forderte er sie auf und ließ sich auf der Kante seines Schreibtischs nieder.
»Ich weiß, dass du Bedenken hast, und ich kann das verstehen. Aber du musst dir keine Sorgen machen, der Einsatz ist völlig ungefährlich. Wir werden dich als Reporterin dorthin schicken, es werden etliche Journalisten da herumwimmeln, du wirst also kaum auffallen. Hör dich um, versuch etwas heraus zu bekommen und behalte die Mädchen im Auge. Am Donnerstag ist es soweit, bis dahin bekommst du deinen Presseausweis und wir organisieren alles, was nötig ist. Und noch was – keine Alleingänge! Wenn dir irgendetwas auffällt oder komisch vorkommt, meldest du dich sofort.«
Jill nickte, sie hatte nicht die Absicht sich unnötig in Gefahr zu bringen.
»Gut, dann geh jetzt nach Hause, du hast heute den restlichen Tag und morgen frei, damit du dich in Ruhe auf deinen Einsatz vorbereiten kannst. Hier sind die Informationen über das verschwundene Mädchen. Schau sie gründlich durch, vielleicht ist etwas dabei, was dir weiter hilft.«
Walt drückte ihr eine Mappe in die Hand, stand auf und gab ihr so zu verstehen, dass das Gespräch beendet war.
»Kopf hoch, du schaffst das«, nickte er ihr noch väterlich zu, als sie aufstand.
»Ja sicher«, sagte sie, ohne wirklich überzeugt zu klingen, und wünschte sich zum ersten Mal seit ihrer Versetzung, sie wäre bei ihrem Streifendienst geblieben.
Jill beschloss die freie Zeit zu nutzen, um sich mit weiteren Informationen zu versorgen. Zunächst besorgte sie die DVD der vorhergehenden Super-Model-Staffel, und verbrachte den ganzen restlichen Tag damit, sich die Folgen anzusehen. Natürlich hatte sie vorher schon in etwa gewusst, worum es ging, der Hype der Medien war auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen. Aber als sie sich jetzt die Bilder der zickigen, teilweise hysterisch wirkenden Mädchen anschaute, wurde ihr flau im Magen. Der Gedanke, Stunden in der Gesellschaft solch abgedrehter, post-pubertierender Halb-Teenies zu verbringen, gefiel ihr überhaupt nicht, und sie verfluchte Walt, dass er ihr das angetan hatte.
Sie versuchte die Models zu ignorieren, und sich mehr auf die Personen drum herum zu konzentrieren. Die meisten von ihnen würden auch in dieser Staffel wieder dabei sein, und es wäre gut, sich vorab ein Bild zu machen.
Irgendwann schaltete sie den Fernseher aus, und wollte gerade in die Küche gehen, um sich ihr Abendessen zuzubereiten, als ihr Handy klingelte.
»Hallo Jill.«
»Simon«, entfuhr es ihr überrascht.
»Ich … ich wollte nur mal hören, wie es dir geht.«
Sie seufzte. »Danke, es geht mir gut.«
»Eigentlich würde ich dich gerne fragen, ob du Lust hast, mit mir essen zu gehen.«
»Tut mir leid, heute ist es schlecht«, lehnte sie ab.
»Vielleicht in den nächsten Tagen?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Ich glaube nicht, ich bin im Moment sehr beschäftigt«, wich sie aus, »Ich melde mich bei dir, wenn ich Zeit habe, einverstanden?«
»In Ordnung«, stimmte er zu, und sie konnte die Enttäuschung in seiner Stimme deutlich hören. »Dann noch einen schönen Abend.«
»Danke, dir auch.«
Mit dem Anflug eines schlechten Gewissens legte sie den Hörer auf. Sie hatte keinesfalls die Absicht sich nochmals mit ihm zu treffen, und eigentlich wäre es besser gewesen, ihm reinen Wein einzuschenken. Aber sie brachte es nicht übers Herz, vor allem ihrer Mutter zuliebe.
Ständig lag sie Jill in den Ohren, dass sie sich Enkelkinder wünschte, und dass es nicht »normal« sei, dass Jill mit ihren sechsundzwanzig Jahren immer noch unverheiratet war. Wochenlang schwärmte sie ihr in den höchsten Tönen vor, was für ein anständiger, netter Mann Simon doch sei, und dass er der ideale Schwiegersohn wäre.
Vor einer Woche schließlich hatte Jill es nicht mehr ausgehalten, und sich um des lieben Friedens willen mit ihm verabredet. Bereits nach der Vorspeise wusste Jill, dass Simon keineswegs der Mann war, mit dem sie ihr restliches Leben verbringen würde.
Der Abend war eine einzige Tortur gewesen, zumindest für Jill. Simon erzählte fast ausschließlich von sich und seiner Firma, so trocken und langweilig, dass Jill Mühe hatte, wach zu bleiben. Die restliche Zeit über malte er lang und breit aus, wie er sich eine Ehe vorstellte, und was er von seiner zukünftigen Gattin erwartete. Es dauerte nicht sehr lange, bis Jill feststellte, dass sie auf gar keinen Fall die Frau war, die er beschrieb. Als er sie beim Abschied fragte, ob sie sich wiedersehen würden, antwortete sie mit einem vagen »Vielleicht«. Sie wollte ihn nicht verletzen, und hoffte, er würde ebenfalls bemerkt haben, dass sie keinesfalls zusammenpassten.
Doch offenbar sah er das anders, und ihre Mutter wohl auch, denn nur von ihr konnte er Jills Handynummer bekommen haben.
»Ich bin viel zu gutmütig«, dachte sie kopfschüttelnd, während sie sich ein Sandwich belegte und dann mit ihrem Teller ins Wohnzimmer hinüber ging.
Sie zappte noch eine Weile durchs Fernsehprogramm, aß dabei ihr Brot, und eine knappe Stunde später lag sie im Bett.
…


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