Coming Home

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Inhalt

Gefangen in einer unglücklichen Ehe, lernt Megan eines Tages in der Firma den attraktiven David kennen. Obwohl beide dagegen ankämpfen, merken sie sehr schnell, dass ihre Gefühle füreinander weit über das Berufliche hinaus gehen. Doch auch er ist verheiratet, und ein Spiel mit dem Feuer beginnt …

Themen: Liebesroman, Drama, Forbidden Romance, Workplace Romance, Boss Romance, Affair Romance, Accidental Pregnancy, Secret Baby, Second Chance Romance, Emotional Angst, Reunion Romance, Second Chance at Love

Leseprobe

Teil 1

1

Es war ein grauer, kalter Wintermorgen, und obwohl es erst halb sieben und draußen noch dunkel war, ahnte Megan bereits, dass dieser Tag nichts Gutes bringen würde. Mit ihrer gewohnten Tasse Kaffee saß sie in der Küche am Tisch, als sie das leise Geräusch der Schlafzimmertür hörte. Sie zuckte zusammen, wusste genau, was ihr jetzt wieder bevorstand.

Am Abend zuvor war sie mit ihrer Nachbarin und Freundin Julie zum Essen ausgegangen, und hatte über der guten Stimmung und der angeregten Unterhaltung völlig die Uhrzeit aus dem Auge verloren. Erst nach Mitternacht war sie nach Hause gekommen, und leise in ihr Bett geschlichen. Ihr Mann Brad hatte wie jeden Abend schnarchend vor dem laufenden Fernseher auf der Couch gelegen, und sie war froh darüber gewesen, hatte ihr dieser Umstand doch unliebsame Diskussionen mitten in der Nacht erspart.

Doch als er jetzt zu ihr in die Küche kam, das Kinn angriffslustig nach vorne gestreckt, war ihr klar, dass es sich nur um einen kleinen Aufschub gehandelt hatte, und er ihr nun – wie immer – eine Szene machen würde.

»War ja mal wieder spät gestern Abend«, begann er dann auch sogleich, und sein Tonfall war wie gewohnt anklagend und aggressiv.

»Wir haben vor lauter Quatschen ein bisschen die Zeit vergessen«, erklärte Megan ruhig.

»Du erwartest doch nicht, dass ich dir das glaube? Ihr werdet ja sicher nicht bis Mitternacht alleine in der Kneipe gesessen haben. Da waren doch garantiert noch irgendwelche Kerle bei euch.«

Es folgten die üblichen Vorwürfe und grundlosen Verdächtigungen, die er in seiner krankhaften Eifersucht jedes Mal vorbrachte, wenn sie es wagte, sich ohne ihn außer Haus zu verabreden. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte sie nur noch in der Wohnung gesessen und sich um den Haushalt gekümmert. Brad gefiel es überhaupt nicht, dass sie es sich nicht nehmen ließ, ab und zu mit Julie auszugehen, das einzige Vergnügen, das ihr überhaupt noch geblieben war, seit sie mit ihm verheiratet war.

»Wie siehst du überhaupt wieder aus? Musst du dich für die Arbeit so auftakeln?«, fuhr er jetzt fort. »Du willst doch nur, dass dir die Kerle hinterherglotzen.«

»Ich bin ganz normal angezogen, ich kann wohl schlecht im Kartoffelsack in die Firma gehen«, gab sie trocken zurück. »Außerdem habe ich heute ein Gespräch mit dem Chef.«

Ohne darauf einzugehen, setzte Brad seine Angriffe fort, und resigniert fragte sie sich, warum sie sich diese Litanei eigentlich jedes Mal anhörte. Automatisch schaltete sie ab, hörte ihm gar nicht mehr richtig zu. Ihre Gedanken schweiften zehn Jahre zurück, zurück zu dem Tag, an dem sie Brad kennengelernt hatte.

Damals war sie sechzehn gewesen, jung, dumm und unerfahren. Es hatte ihr imponiert, dass der acht Jahre ältere Brad sie hofierte; er war gut aussehend, charmant und äußerst hartnäckig gewesen. Entgegen allen Einwänden ihrer Eltern hatte sie sich von ihm um den Finger wickeln lassen, und es hatte nicht lange gedauert, bis sie schwanger geworden war.

Für ihre Eltern war es beschlossene Sache gewesen, dass sie heiraten mussten, und obwohl Brad sich anfänglich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hatte, hatte er irgendwann nachgegeben. Im Nachhinein wünschte Megan, er hätte es nicht getan, denn nur kurze Zeit später hatte Brad sein wahres Gesicht gezeigt. Die Tinte auf der Urkunde war noch nicht richtig trocken gewesen, als er seinen Job verloren hatte, und seitdem hatte er keinerlei Anstrengungen mehr unternommen, sich nach etwas Neuem umzusehen.

»Es reicht doch, wenn du arbeitest«, war sein lapidarer Kommentar gewesen, immer wenn sie ihn darauf angesprochen hatte.

Als sie kurz nach der Hochzeit auch noch herausgefunden hatte, dass er nicht unbeträchtliche Schulden hatte, waren ihre Träume vom Hausfrauen- und Mutterdasein wie eine Seifenblase zerplatzt.

Wenige Monate später war Lisa zur Welt gekommen, und mit schwerem Herzen hatte sie sie tagsüber in Brads Obhut gelassen, um für den Lebensunterhalt ihrer kleinen Familie zu sorgen. Doch anstatt froh darüber zu sein, war Brad immer unausstehlicher geworden. Er verfolgte sie mit seiner krankhaften Eifersucht und ließ keine Gelegenheit aus, um ihr Vorwürfe zu machen. Lisa war der einzige Grund, warum sie überhaupt noch bei ihm war, die inzwischen Zehnjährige hing sehr an ihrem Vater. Wenigstens in dieser Hinsicht erfüllte Brad seine Pflicht; während er im Haushalt keinen Finger rührte, so kümmerte er sich zumindest einigermaßen um Lisa, solange Megan auf der Arbeit war.

»Gedenkst du denn heute wenigstens pünktlich nach Hause zu kommen?«, fragte Brad jetzt giftig, und holte Megan damit wieder zurück in die Gegenwart.

»Ja sicher«, seufzte sie resigniert, und fügte nach einem raschen Blick auf die Uhr hinzu: »Ich muss jetzt los, ich bin schon zu spät dran.«

***

Wenig später saß Megan in ihrem kleinen Auto und war unterwegs zur Arbeit. Es war noch relativ wenig Verkehr, sodass sie zügig fahren konnte. Auf einer vierspurigen, breiten Straße gab sie etwas mehr Gas, um die verlorene Zeit aufzuholen. Plötzlich sah sie in der beginnenden Morgendämmerung am rechten Straßenrand etwas kurz aufblitzen, und nach einem erschrockenen Blick auf ihren Tacho war ihr sofort klar, dass es sich um eine Radarkontrolle handelte.

Na toll, fluchte sie in Gedanken, während sie ein wenig Gas wegnahm, und das schon am frühen Morgen.

Missmutig legte sie das letzte Stück des Wegs zurück, stellte ihren Wagen auf dem Firmengelände ab und eilte dann über den Parkplatz auf den Eingang zu. In ihrer Hast achtete sie nicht darauf, wo sie hintrat; auf einmal blieb sie mit dem Fuß hängen und wäre beinahe gestürzt, konnte sich gerade noch so fangen. Irritiert schaute sie nach unten und sah, dass der Absatz ihres Schuhs in einem der Schmutzgitter vor dem Eingang stecken geblieben war.

Oh verdammt, schoss es ihr durch den Kopf, das darf doch nicht wahr sein.

Normalerweise ging sie in Jeans und bequemen, flachen Schuhen zur Arbeit, doch anlässlich des Gesprächs mit ihrem Chef hatte sie sich ausnahmsweise für ein Kostüm und ein Paar elegante, hochhackige Pumps entschieden.

Hektisch versuchte sie, sich zu befreien, doch vergeblich, der Absatz steckte felsenfest zwischen den Metallstreben. Völlig entnervt schlüpfte sie aus dem Schuh, bückte sich, und zog mit beiden Händen daran, so fest sie konnte.

»Brauchen Sie Hilfe?«, hörte sie auf einmal eine Männerstimme, und als sie aufsah, schaute sie in ein Paar graue Augen, die, so schien es ihr, ein wenig amüsiert funkelten.

Sie rappelte sich auf und zuckte hilflos mit den Achseln. Ohne zu zögern, ging der Mann vor ihr in die Hocke, drehte und schob den Schuh ein wenig hin und her, und befreite ihn scheinbar mühelos aus seinem Gefängnis.

»War doch gar nicht so schwer«, schmunzelte er.

Bevor sie reagieren konnte, griff er nach ihrem Fuß und streifte ihr behutsam den Schuh über. Megan war so überrascht, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor und spontan hielt sie sich an seiner Schulter fest.

»Danke«, murmelte sie verlegen, nachdem sie endlich wieder fest auf beiden Füßen stand.

»Keine Ursache«, lächelte er, während sein Blick ein Stück weit ihr Bein hinauf glitt. »Also, ich muss ja zugeben, dass das ein sehr reizvoller Anblick ist, aber ich frage mich doch immer wieder, wie ihr Frauen in diesen Dingern überhaupt laufen könnt.«

Entgeistert starrte Megan ihn an und bemerkte, wie sie feuerrot wurde. Versuchte dieser Kerl etwa, mit ihr zu flirten?

»Wir können mit diesen Dingern noch ganz andere Sachen«, fuhr sie ihn patzig an, »und die sind mit Sicherheit alles andere als reizvoll.«

Abrupt drehte sie sich um und stürmte ins Gebäude, hörte ihn hinter sich leise lachen. Sie erwischte gerade noch einen der Aufzüge, und als die Tür langsam zuglitt, fing sie noch einen letzten Blick aus zwei funkelnden grauen Augen auf.

2

So aufgebracht Megan zunächst über diesen Zwischenfall war, so schnell vergaß sie ihn auch wieder. Im Büro herrschte bereits hektische Betriebsamkeit, und da sie sich nun doch verspätet hatte, wurde sie mitten in das Chaos hineinkatapultiert.

»Na, auch schon da?«, fragte Jennifer Perkins spöttisch, als Megan sich an ihren Schreibtisch setzte und den PC einschaltete.

»Das gibt es doch gar nicht, dass du zu spät kommst«, kommentierte Bridget Fowler grinsend, »wo du doch sonst immer so überpünktlich bist.«

Megan gab keine Antwort; sie war es gewohnt, dass die Kolleginnen sie aufzogen.

Seit ihr bewusst geworden war, dass Brad sich vermutlich niemals mehr um einen Job bemühen würde, hatte sie sich verstärkt in ihre Arbeit gekniet. Normalerweise war sie morgens die Erste, die im Büro erschien, und abends oft die Letzte, die nach Hause ging. Wann auch immer zusätzliche Aufgaben zu erledigen waren, oder Überstunden oder Wochenendarbeit anstanden, war sie stets bereit, das zu übernehmen. Ihre Familie war auf ihr Einkommen hier angewiesen, und sie tat alles, um nicht Gefahr zu laufen, eines Tages auf die Straße gesetzt zu werden.

Sie wusste, dass die Kolleginnen sie hinter ihrem Rücken als Streberin bezeichneten, doch das war ihr egal. Niemand ahnte etwas von den wahren Gründen für ihr Engagement, und das war auch gut so, ihre privaten Probleme gingen hier keinen etwas an.

Nervös versuchte sie jetzt, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Das bevorstehende Gespräch mit ihrem Chef spukte in ihrem Kopf herum, und sie fragte sich immer wieder ängstlich, was er wollen könnte. Es war selten, dass der Chef sich hier blicken ließ, oder mit einer der Mitarbeiterinnen sprechen wollte.

Ob ich irgendetwas vermasselt habe?, fragte sie sich bang, und warf einen erneuten Blick auf die Uhr. Hoffentlich ist es nicht so schlimm, dass er mich auf die Straße setzt.

Schließlich war es kurz vor elf Uhr, und sie stand auf. Vor dem Spiegel in der Damentoilette fuhr sie sich noch einmal durch ihre langen, dunklen Haare, strich ihre Bluse glatt und machte sich dann auf den Weg ins oberste Stockwerk.

Als sie das Vorzimmer des Chefs betrat, deutete Elisabeth Keegan, die Sekretärin, sogleich auf die Tür zu seinem Büro.

»Sie können direkt hineingehen, Sie werden schon erwartet.«

Megan lächelte nervös, klopfte zaghaft an die Tür, und als von drinnen ein knappes »Ja« ertönte, betrat sie das Büro.

William Benson kam hinter seinem Schreibtisch hervor, reichte ihr kurz die Hand und bedeutete ihr dann, sich zu setzen. Sie nahm auf einem der Stühle an dem großen Besprechungstisch Platz und schaute ihn gespannt an.

»Nun Mrs. Turner, Sie wissen, dass ich kein Freund langer Reden bin, also kommen wir gleich zur Sache«, eröffnete er das Gespräch. »Nächste Woche werden wir eine neue Software bekommen, und da ich weiß, dass Sie sich mit dem PC sehr gut auskennen, würde ich Sie bitten, dass Sie die Kolleginnen einweisen.«

Überrascht riss Megan die Augen auf.

»Sie werden natürlich im Vorfeld Gelegenheit haben, sich in Ruhe mit der Anwendung vertraut zu machen, und alles in Ruhe zu testen und auszuprobieren«, fuhr Benson fort. Im gleichen Moment öffnete sich die Tür, und ein erfreutes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Ah, da bist du ja«, sagte er begrüßend, »du kommst genau richtig.«

Megan wandte sich um und sah zu ihrem Entsetzen den dunkelhaarigen Mann auf sich zukommen, der ihren Schuh befreit hatte.

»David, das ist Mrs. Turner – Mrs. Turner, mein Schwiegersohn David Warner.«

»Freut mich, Mrs. Turner.« Ohne eine Miene zu verziehen, reichte David Warner ihr die Hand.

»Hallo«, murmelte sie leise, während sie sich mit Unbehagen daran erinnerte, was sie ihm an den Kopf geworfen hatte.

Ausgerechnet der Schwiegersohn vom Chef, schoss es ihr frustriert durch den Sinn, noch mehr hätte ich ja wohl nicht ins Fettnäpfchen treten können.

»Wie gesagt«, nahm William Benson jetzt den Faden wieder auf, »Sie werden in den nächsten Tagen ausgiebig Gelegenheit haben, sich das Programm anzusehen. Wir werden veranlassen, dass Sie einen PC in einem separaten Büro bekommen, dort können Sie sich dann in aller Ruhe damit vertraut machen. Mein Schwiegersohn wird Ihnen dabei behilflich sein, er hat die Software eingekauft und kennt sich bereits ein wenig damit aus.«

Völlig überfahren schaute Megan die beiden Männer an. Während David Warner nach wie vor mit unbeweglichem Gesicht da saß, warf William Benson ihr einen ungeduldigen Blick zu.

»Nun Mrs. Turner, sind Sie damit einverstanden?«

»Ja, sicher«, nickte sie zustimmend, denn ihr war klar, dass sie kaum eine andere Wahl hatte. Wenn sie jetzt ablehnte, würde ihr Chef sie in Zukunft nie wieder mit besonderen Aufgaben betrauen, und sie konnte ihre Hoffnungen auf eine Gehaltserhöhung oder gar Beförderung sofort begraben.

»Gut«, lächelte Benson zufrieden, »dann gehen Sie jetzt wieder an ihre Arbeit, und mein Schwiegersohn wird sich morgen im Laufe des Tages bei Ihnen melden und alles Weitere mit Ihnen besprechen.«

***

Als Megan wieder in ihr Büro zurückkam, fielen die Kolleginnen sofort über sie her.

»Und, was wollte der Alte? Erzähl mal.«

»Ach, nichts Besonderes«, sagte sie ausweichend.

Sie hatte keine Lust, sich wieder dumme Bemerkungen anzuhören; die anderen würden noch früh genug mitbekommen, dass sie die Einweisung übernehmen sollte.

Hoffentlich kriege ich das auch hin, dachte sie nervös, während sie sich wieder in ihre Arbeit vertiefte, und hoffte, dass die neue Software nicht allzu kompliziert sein würde.

Eigentlich kannte sie sich tatsächlich ganz gut mit dem Computer aus, zumindest wesentlich besser als die Kolleginnen, die stets Berührungsängste hatten. Vor einer ganzen Weile hatte sie sich von mühsam zusammengespartem Geld einen PC für zu Hause gekauft, einfach nur aus Neugier, ohne zu ahnen, dass sie die so erworbenen Kenntnisse einmal auf der Arbeit würde gebrauchen können.

»Was willst du denn mit einem PC?«, hatte Brad sich noch über sie lustig gemacht. »Für das Geld hätten wir lieber einen neuen Fernseher kaufen sollen.«

Doch als dann in der Firma nach und nach die ersten Computer installiert worden waren, war sie froh gewesen, dass sie nicht ganz so hilflos davor saß wie die übrigen Kolleginnen. Seitdem war sie immer diejenige gewesen, die den anderen bei Problemen geholfen hatte, und so wie es aussah, hatte sich das wohl bis zum Chef herumgesprochen.

Trotzdem war ihr nicht ganz wohl in ihrer Haut, und als sie sich nach ihrem Feierabend auf den Heimweg machte, dachte sie mit Unbehagen an den nächsten Tag.

3

Wie so oft in den letzten Wochen saß David Warner auch an diesem Abend noch lange in seinem Büro und brütete über seinen Unterlagen. Irgendwann schob er die Papiere beiseite, stand auf, trat ans Fenster und schaute nachdenklich über die Lichter der Stadt.

Er war erst seit Kurzem hier in der Baufirma seines Schwiegervaters und hatte bereits jetzt das Gefühl, in Arbeit zu ersticken. Nachdem er sich ein wenig eingearbeitet hatte, hatte er festgestellt, dass in den meisten Bereichen noch gearbeitet wurde wie vor fünfzig Jahren, und als er mit William Benson darüber gesprochen hatte, hatte dieser sofort zugestimmt, einige Neuerungen durchzuführen. Vertrauensvoll hatte er die Verantwortung dafür in Davids Hände gelegt, was dazu geführt hatte, dass er jetzt hier saß, und nicht wusste, wo er zuerst anfangen sollte.

Doch er war nicht allzu unglücklich über den riesigen Berg Arbeit, der sich vor ihm auftürmte, so hatte er wenigstens einen Grund, abends nicht allzu früh nach Hause zu müssen.

Er dachte an Cynthia, seine Frau, und seufzte.

Als sie sich kennengelernt hatten, war er mitten im Studium gewesen, hatte sich neben dem Lernen mit kleineren Aushilfsjobs über Wasser gehalten, unter anderem auch als Bürobote hier in der Firma seines Schwiegervaters. Irgendwann war er zufällig Cynthia über den Weg gelaufen, und als sie ihn auf eine Tasse Kaffee eingeladen hatte, hatte er zugestimmt. Von da an hatten sie sich regelmäßig getroffen und irgendwann hatte das Thema Hochzeit im Raum gestanden. Da sein Schwiegervater ihm für die Zeit seines Studiums ein großzügiges Darlehen gewährt hatte, und er somit in seiner Schuld stand, hatte er kaum eine andere Wahl gehabt, als Ja zu sagen.

Zwar war David sich von Anfang darüber im Klaren gewesen, dass weder Cynthia noch er tiefere Gefühle als Freundschaft verspürten, aber sie verstanden sich gut, und die Aussicht, irgendwann hier in die Firma einsteigen zu können, hatte schließlich den Ausschlag gegeben.

Doch bereits kurz nach der Heirat hatte Cynthia begonnen, sich zu verändern. Sie wurde immer launischer und streitsüchtiger, ließ sich gehen, und obwohl sie den ganzen Tag zu Hause war, kümmerte sie sich weder um den Haushalt noch um ihn.

Sämtliche Versuche mit ihr zu reden, um etwas zu ändern, waren gescheitert, und inzwischen hatte er es aufgegeben. Er war froh über jede Minute, die er nicht mit ihr zusammen verbringen musste, und wäre da nicht sein Schwiegervater gewesen, der nach wie vor sein Vertrauen in ihn setzte, hätte er sich vermutlich schon längst von ihr getrennt.

Missmutig setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch und griff zum Telefon.

»Hey Rick, ich bin es«, meldete er sich, nachdem sein bester Freund den Hörer abgehoben hatte. »Hast du Zeit, etwas essen zu gehen? Zu Hause erwartet mich wie immer eine kalte Küche, und ich habe heute keine Lust, selbst noch etwas zu kochen.«

Rick sagte zu, und zufrieden legte David wieder auf. Sein Blick glitt über die Unterlagen auf seinem Schreibtisch.

Ich könnte wirklich ein bisschen Hilfe gebrauchen, dachte er unwillkürlich, und merkwürdigerweise ging ihm dabei das Bild eines schlanken Beins in einem hochhackigen Schuh durch den Kopf.

***

»Wann gibt es endlich Essen?«, knurrte Brad, als Megan leise Lisas Zimmer verließ.

»Gleich, du siehst doch, dass ich gerade die Kleine ins Bett gebracht habe«, seufzte sie genervt. »Es wäre wohl auch nicht zu viel verlangt, wenn du dir selbst mal etwas machen würdest.«

Rasch nahm sie die Lasagne aus dem Ofen, schaufelte ihm eine Portion auf den Teller und stellte ihn auf den Küchentisch.

Ohne ein Dankeschön setzte Brad sich hin und begann das Essen in sich hineinzuschlingen, während er Megan dabei beobachtete, wie sie das Geschirr abspülte. Plötzlich stand er auf, stellte sich hinter sie und griff mit seinen Händen nach ihren Brüsten.

Sie zuckte zusammen. »Brad, bitte nicht, du weißt doch, dass Lisa oft noch einmal aufsteht, weil sie Durst hat«, versuchte sie, ihn abzuwehren.

»Jetzt stell dich nicht so an, immer hast du irgendeine Ausrede«, fuhr er sie an, und setzte seine Annäherungsversuche ungerührt fort.

Sehr schnell wurde ihr klar, dass sie keine andere Wahl hatte, als nachzugeben, wenn sie nicht wieder eine lautstarke Diskussion riskieren wollte.

Bereits von Anfang an war Brad ein Mann gewesen, der im Bett nur an sein eigenes Vergnügen dachte, doch sie war naiv genug gewesen, sich einzureden, dass es an ihrer Unerfahrenheit lag. Mit der Zeit war ihr jedoch immer deutlicher bewusst geworden, dass er sie lediglich benutzte, um sich abzureagieren, und sie tat alles, um so selten wie möglich mit ihm schlafen zu müssen.

Doch es kam deshalb immer wieder zu Auseinandersetzungen. Brad bestand darauf, dass sie ihre ehelichen Pflichten erfüllte, und wenn sie nicht darauf einging, gab es tagelang Streit und Vorwürfe. Also gab sie um des lieben Friedens willen ab und zu nach, weit davon entfernt, auch nur einen Funken Gefühl dabei zu haben.

»Dann lass uns wenigstens ins Schlafzimmer gehen«, murmelte sie tonlos und schob ihn weg.

Wenig später lag sie unter ihm, ließ regungslos und voll Ekel seine rücksichtslosen Bewegungen über sich ergehen, während sie stumm betete, dass es schnell vorbei sein würde.

Kurz darauf wälzte er sich von ihr herunter, fiel wie ein Sack neben ihr in die Kissen, und es dauerte nicht lange, bis ein zufriedenes Schnarchen ertönte.

Leise stand sie auf und ging ins Bad, stellte sich unter die Dusche, und versuchte, mit viel heißem Wasser seine widerwärtigen Berührungen von sich abzuwaschen.

Anschließend schlüpfte sie in einen Schlafanzug und ging leise in Lisas Zimmer, krabbelte vorsichtig zu ihr ins Bett und nahm sie in den Arm.

»Ich weiß nicht, ob ich das noch lange ertrage«, flüsterte sie unglücklich, während sie ihrer Tochter liebevoll übers Haar strich, »aber für dich werde ich es versuchen.«

4

Am nächsten Morgen saß Megan noch nicht lange an ihrem Schreibtisch, als die Tür aufging und David Warner hereinkam. Er grüßte kurz in die Runde und wandte sich dann ihr zu.

»Wie sieht es aus, wenn Sie Zeit hätten, würde ich Ihnen gerne das Büro zeigen.«

Megan nickte und stand auf. Unter den neugierigen Blicken ihrer Kolleginnen folgte sie ihm nach draußen.

»Wie ich sehe, droht mir heute keine Gefahr durch spitze Absätze«, schmunzelte er mit einem kurzen Blick auf Megans Jeans und Ballerinas, während sie zusammen den Korridor entlang liefen, und sie wurde rot.

»Ich … es tut mir leid«, stammelte sie unbehaglich, »ich habe das nicht böse gemeint.«

»Schon gut, ich habe es auch nicht so aufgefasst.«

Wenig später öffnete er eine Tür am hinteren Ende des Korridors.

»Es ist nicht sehr groß, aber hier haben Sie auf jeden Fall Ruhe, und es ist ja auch nur für kurze Zeit«, sagte er, während er den PC einschaltete.

Er bedeutete ihr, sich hinzusetzen, und öffnete dann das neue Programm.

»Schauen Sie sich alles an und testen Sie ein wenig herum; ich kenne mich mit Ihren Arbeitsabläufen noch nicht genug aus, um selbst zu wissen, ob es irgendwo Schwachstellen gibt«, erklärte er. »Falls Ihnen etwas auffällt, was nicht funktioniert, oder Sie einen Vorschlag haben, was besser sein könnte, geben Sie mir Bescheid, dann nehme ich Kontakt mit den Programmierern auf.«

»In Ordnung.«

Er sagte nichts mehr weiter, und nervös klickte sie ein wenig in den Menüs herum, während er ihr eine Weile über die Schulter schaute.

»Gut, dann lasse ich Sie jetzt alleine, wenn irgendetwas sein sollte, rufen Sie mich an.«

Rasch schrieb er ihr seine Durchwahlnummer auf einen Notizzettel und ging dann zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal zu ihr um.

»Also dann, auf gute Zusammenarbeit.«

***

In der Mittagspause ging Megan nach drüben ins Großraumbüro, und wie erwartet, fielen die Kolleginnen sofort über sie her.

»Was hast du denn mit dem Schwiegersohn vom Chef zu schaffen?«, fragte Bridget Fowler spitz. »Hast du dich bei ihm jetzt auch schon lieb Kind gemacht?«

Überrascht schaute Megan sie an. »Woher wisst ihr denn, wer das ist?«

»Na denkst du etwa, dass ein so gut aussehender Typ hier herumlaufen kann, ohne dass wir alles über ihn wissen?«, grinste Jennifer Perkins. »Aber damit du beruhigt bist, Karen«, sie deutete auf eine zierliche Dunkelhaarige, »ist mit seiner Frau befreundet, deswegen wussten wir das.« Dann stemmte sie herausfordernd die Hände in die Hüften. »Also raus jetzt mit der Sprache, was hast ausgerechnet du mit ihm zu tun?«

»Ich soll mir eine neue Software anschauen«, erklärte Megan zögernd, »und euch dann einweisen.«

»Was? Wieso du?«, wollte Bridget wissen, und ihr Gesicht verfinsterte sich neidvoll. »Du glaubst doch nicht, dass wir uns von dir was erzählen lassen.«

Achselzuckend nahm Megan ihre Brotdose aus dem Schreibtisch. »Macht, was ihr wollt«, erwiderte sie genervt, »ich bin auch nicht scharf darauf.«

»Jetzt lasst sie doch gehen, wenn der Chef das so will, wird es eben so gemacht«, mischte Karen Miller sich jetzt ein. »Warum sollen wir deswegen hier lange herumdiskutieren?«

Megan warf ihr einen dankbaren Blick zu und verzog sich dann mit ihrem Mittagessen in das kleine Büro; sie hatte keine Lust mehr darauf, sich die dummen Bemerkungen der Kolleginnen anzuhören. Während sie nebenbei immer mal in ihr Brot biss, beschäftigte sie sich wieder konzentriert mit dem neuen Programm, und stellte erleichtert fest, dass David Warner ein glückliches Händchen beim Einkauf der Software bewiesen hatte.

Es gab keinerlei Probleme damit, und sie würde nicht lange brauchen, um sich mit allen Funktionen vertraut zu machen und den Kolleginnen alles zu erklären. Ihr Chef würde keinen Grund zur Klage haben, und als sie daran dachte, dass David Warner vermutlich auch zufrieden sein würde, glitt ein kleines Lächeln über ihr Gesicht.

***

Tatsächlich war Megan bereits am nächsten Nachmittag so weit mit allem vertraut, dass sie mit der Einweisung beginnen konnte. Als David kurz vor ihrem Feierabend erschien, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, teilte sie ihm das mit, und er schien erfreut zu sein.

»Sehr schön«, lächelte er, »dann werde ich morgen Ihre Kolleginnen informieren, und anschließend können Sie loslegen.« Als Megan nickte, fügte er hinzu: »Wie kommt es eigentlich, dass Sie sich so gut mit dem PC auskennen? Normalerweise stehen Frauen mit der Technik doch eher auf Kriegsfuß.«

»Das ist ja wohl ein typischer Macho-Spruch«, entfuhr es ihr vorwurfsvoll, und im gleichen Moment schlug sie erschrocken die Hand vor den Mund.

Himmel, er ist der Schwiegersohn vom Chef, und mir fällt nichts Besseres ein, als ihm freche Antworten zu geben, schoss es ihr betreten durch den Kopf.

Doch zu ihrer Erleichterung lachte er nur. »Ja, vermutlich genauso wie das mit den hohen Absätzen. Gut, dass ich es schon wieder geschafft habe, ins Fettnäpfchen zu treten.«

»Tut mir leid«, murmelte sie verlegen, und er schüttelte den Kopf.

»Jetzt hören Sie auf, sich dauernd zu entschuldigen, ich bin nicht so humorlos, wie ich auf den ersten Blick vielleicht erscheine.« Als Megan keine Antwort gab, fügte er hinzu: »Und Sie brauchen sich auch keine Gedanken machen, weil ich zufällig der Schwiegersohn vom Chef bin – ich habe nicht die Absicht, hier den Thronfolger zu spielen. Wenn wir künftig weiter zusammenarbeiten, wäre es mir ganz lieb, wenn Sie mich einfach als ganz normalen Kollegen betrachten würden.«

5

Am nächsten Morgen erschien David bereits früh im Großraumbüro und informierte die Kolleginnen über die bevorstehenden Änderungen. Er erklärte ihnen, wie wichtig es war, dass sie den Umgang mit der neuen Software beherrschten, und bat um entsprechendes Engagement.

Dann deutete er auf Megan. »Mrs. Turner wird Sie einweisen, und Ihnen alle Fragen rund um das Programm beantworten. Bitte folgen Sie aufmerksam ihren Erklärungen und tun Sie Ihr Bestes, damit die Einführung so reibungslos wie möglich über die Bühne geht.«

Megan bemerkte, wie Jennifer und Bridget sich ansahen und die Augen verdrehten, doch sie bemühte sich, es zu ignorieren und sich auf Davids Ausführungen zu konzentrieren.

Nachdem er noch ein paar Fragen beantwortet hatte, verschwand er wieder, während die Frauen alle aufgeregt durcheinander schnatterten.

Kurz darauf hatte Megan die erste Kollegin mit in das kleine Büro genommen, und begann damit, ihr die Anwendung zu erklären und die Bedienung zu zeigen.

Obwohl sie insgeheim mit Widerstand gerechnet hatte, schienen Davids Worte doch einen gewissen Eindruck gemacht zu haben, und die Einarbeitung ging ohne Probleme vonstatten. Ab und zu schaute David vorbei, erkundigte sich, wie sie vorankam, und war höchst zufrieden mit der Entwicklung der Dinge.

Schließlich kam der Tag der Einführung, und nach einigen anfänglichen Startschwierigkeiten kehrte allmählich ein wenig Routine ein. Megan kümmerte sich um auftretende Fragen und Probleme und behielt trotz des ein wenig chaotischen Einstiegs die Ruhe und den Überblick.

Wie zuvor schaute David des Öfteren vorbei, vergewisserte sich, dass alles in Ordnung war und unterstützte Megan ein wenig.

Jedes Mal wenn er den Raum betrat, fingen einige der Kolleginnen an zu kichern, unter ihnen auch Jennifer und Bridget, und benahmen sich wie die aufgescheuchten Hühner. Kopfschüttelnd beobachtete Megan, wie Jennifer ganz ungeniert versuchte, mit David zu flirten, und sie fragte sich, wie es sein konnte, dass sie keine Hemmungen hatte, ihn so anzumachen, obwohl sie genau wusste, dass er verheiratet war.

Doch er blieb ganz gelassen, ignorierte Jennifers Bemühungen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und wandte sich dann irgendwann an Megan.

»Na das lief ja besser, als ich gedacht hatte«, nickte er anerkennend. Als er ihren kritischen Blick bemerkte, lächelte er. »Nicht Ihretwegen, dass Sie das hinbekommen, wusste ich. Also schauen Sie nicht schon wieder so angriffslustig und lassen Sie die spitzen Absätze bitte im Schrank.«

Er zwinkerte ihr schmunzelnd zu und verschwand, und Megan blieb verdutzt zurück, nicht bemerkend, dass Jennifer ihr einen bitterbösen Blick zuwarf.

***

»Nun David, wie läuft es mit der Einführung der neuen Software?«, wollte William Benson wissen, als er am späten Nachmittag Davids Büro betrat.

»Oh, sehr gut«, lächelte David zufrieden und berichtete seinem Schwiegervater von der gelungenen Umstellung.

»Das freut mich mein Junge«, lobte William anerkennend, »mach weiter so, und du wirst bestimmt einmal einen guten Chef abgeben.« Dann wurde seine Miene etwas ernster und er warf David einen prüfenden Blick zu. »Denkst du, es gibt in anderer Hinsicht auch bald eine Erfolgsmeldung?«

David presste die Lippen zusammen, er wusste genau, worauf sein Schwiegervater anspielte. Seit der Hochzeit mit Cynthia hatte er keinen Zweifel daran gelassen, dass er so bald wie möglich einen Enkel und somit Erben für die Firma haben wollte, doch das war etwas, womit David sich in keiner Weise anfreunden konnte.

Es war nicht so, dass er sich keine Kinder wünschte, allerdings nicht mit seiner Frau. Bei der Vorstellung, dass die verwöhnte Cynthia, die kaum in der Lage war, für sich selbst zu sorgen, sich um ein Kind kümmern sollte, drehte sich ihm der Magen um. Cynthia war in keiner Hinsicht ein mütterlicher Typ, und es war für ihn ausgeschlossen, unter diesen Umständen ein Kind mit ihr in die Welt zu setzen.

Außerdem schliefen sie schon ewig nicht mehr miteinander; zwar unternahm sie hin und wieder Versuche in dieser Richtung, doch er konnte sich nicht dazu überwinden. Von Anfang an war Cynthia nicht besonders leidenschaftlich gewesen, und er hatte sich eingeredet, dass sich das vielleicht mit der Zeit bessern würde. Doch sie wurde immer gleichgültiger, lag wie ein Stück Holz im Bett und ließ seine Zärtlichkeiten gleichgültig über sich ergehen, sodass er irgendwann damit aufgehört hatte, sich ihr zu nähern.

Dass sein Schwiegervater ihn jetzt so unverblümt an seine Pflichten erinnerte, behagte ihm überhaupt nicht, und er starrte unangenehm berührt auf seine Unterlagen.

»Ja, wir tun unser Bestes«, log er, in der Hoffnung, damit eine längere Unterhaltung über dieses Thema zu umgehen.

»Das freut mich zu hören«, lächelte der alte Herr jetzt auch zufrieden, »ich kann es kaum erwarten, einen Enkel in den Armen zu halten.«

»Ich weiß«, murmelte David bedrückt, und beschloss dann, das Gespräch auf etwas anderes zu bringen. »Übrigens, ich könnte ganz gut eine Sekretärin oder Assistentin gebrauchen«, erklärte er und deutete auf den Papierstapel auf seinem Tisch. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, und hätte gerne jemanden, der mir hilft, ein wenig Ordnung in dieses Chaos zu bringen.«

Nachdenklich rieb William Benson sich das Kinn. »Und an wen hast du da gedacht? Mrs. Keegan ist bei mir völlig ausgelastet, ich kann ihr nicht noch etwas aufhalsen.«

»Nun, Mrs. Turner hat bei der Einweisung sehr gute Arbeit geleistet, und sie kann hervorragend mit dem PC umgehen«, sagte David zögernd. »Mit ihrer Hilfe könnte ich das hier sicher ganz gut in den Griff kriegen.«

William überlegte einen Moment, dann nickte er. »Also gut, ganz möchte ich sie jedoch nicht aus der Abteilung holen, mir fehlen dort sowieso Arbeitskräfte. Wenn es dir reicht, dass sie dich stundenweise unterstützt, dann soll es mir recht sein.«

»Ja sicher«, stimmte David zu, »ein paar Stunden ab und zu sind doch schon mal ein guter Anfang.«

6

Am nächsten Morgen bestellte David Megan in sein Büro. Als sie hereinkam, und er ihr angespanntes Gesicht bemerkte, lächelte er.

»Jetzt schauen Sie doch nicht schon wieder so ängstlich, ich beiße nicht.«

Er bat sie, sich zu setzen, und kam dann auch gleich ohne Umschweife auf sein Vorhaben zu sprechen.

»Wie Sie sehen«, er deutete kurz auf das Papierchaos auf seinem Schreibtisch, »wächst mir der Papierkram hier allmählich über den Kopf, und ich könnte jemanden gebrauchen, der mich ein bisschen unterstützt. Ich habe bereits mit meinem Schwiegervater gesprochen, und er wäre damit einverstanden, dass Sie stundenweise für mich arbeiten würden.«

Völlig überrascht starrte Megan ihn an. »Stundenweise … für Sie …«, wiederholte sie stammelnd, und stellte im gleichen Moment fest, dass sie sich vermutlich wie ein kompletter Idiot anhörte. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, fügte sie dann verlegen hinzu.

»Mir wäre es am liebsten, Sie würden Ja sagen«, schmunzelte er, »ich brauche wirklich dringend Hilfe, und ich glaube, dass Sie dafür ganz gut geeignet wären.«

»Aber wann soll ich denn … wie haben Sie sich das vorgestellt?«, fragte Megan irritiert. »Ich kann doch nicht dauernd zwischen der Abteilung und Ihrem Büro hin und her pendeln.«

David lächelte. »Das sollen Sie auch nicht. Ich habe mir gedacht, dass Sie Ihre Arbeit unten vielleicht eine Stunde früher beenden könnten, und dann noch die restliche Zeit bis zu Ihrem Feierabend hier verbringen.«

Noch immer fühlte Megan sich vollkommen überrumpelt und wusste überhaupt nicht, wie ihr geschah. »Ich weiß nicht, ob ich dafür geeignet bin«, sagte sie zurückhaltend.

»Mein Gott, wie kommt es eigentlich, dass Sie so wenig Selbstbewusstsein haben, wenn es um Ihre Arbeit geht, aber den Mut haben, fremden Männern Folterqualen mit Ihren Absätzen anzudrohen?«, grinste David kopfschüttelnd. »Wenn ich nicht der Meinung wäre, dass Sie das können, hätte ich Sie nicht gefragt. Also ein bisschen mehr Selbstvertrauen bitte! Es sei denn, Sie wollen nicht, dann sagen Sie das offen, und ich suche mir jemand anderen.«

Megan zögerte noch einen Augenblick, dann nickte sie zaghaft. »In Ordnung, ich bin einverstanden.«

»Na also, war doch nicht so schwierig«, lächelte er zufrieden, »dann erwarte ich Sie morgen Nachmittag hier in meinem Büro.«

***

Noch am gleichen Abend war Megan mit ihrer Freundin Julie zu einem Drink in ihrer Stammkneipe verabredet.

Sie freute sich so sehr über Davids Angebot, dass sie irgendjemandem davon erzählen musste, und ihr war klar, dass Brad in keiner Weise begeistert darauf reagieren würde.

»Vielleicht bekomme ich dann auch bald eine Gehaltserhöhung«, sagte Megan aufgeregt, nachdem sie der Freundin von der neuesten Entwicklung berichtet hatte. »Dann könnte ich Lisa endlich ein paar neue Möbel fürs Kinderzimmer kaufen.«

»Oder du könntest dich endlich von deinem Ekelpaket von Mann trennen«, ergänzte Julie trocken, die über Megans Probleme mit Brad Bescheid wusste.

»Du weißt genau, dass das keine Frage des Geldes ist«, erklärte Megan traurig, »Lisa hängt an ihrem Vater.«

Julie griff nach ihrer Hand. »Ich weiß«, sagte sie leise, »aber wie lange willst du dir das denn noch antun? Du gehst doch langsam vor die Hunde.«

»Es geht schon«, wehrte Megan ab, »es sind ja nur noch ein paar Jahre, bis Lisa alt genug ist, um alles zu begreifen, und bis dahin kriege ich das schon noch irgendwie auf die Reihe.«

»Ach Süße, ich verstehe dich wirklich nicht«, seufzte Julie, »es gibt so viele nette Männer, und du hättest auf jeden Fall etwas Besseres verdient, als diesen rücksichtslosen, egoistischen Taugenichts.«

»Du weißt, dass mich andere Männer nicht interessieren, ich habe weiß Gott genug Probleme.«

»Ganz ehrlich, wenn ich sehe, wie Brad dich mit seiner krankhaften Eifersucht verfolgt, hätte ich ihm an deiner Stelle schon längst einen Grund gegeben, sich aufzuregen«, erklärte Julie zornig. Dann wechselte sie das Thema. »Also gut, du arbeitest jetzt also für diesen David. Was genau sollst du denn machen?«

»Keine Ahnung«, Megan zuckte mit den Achseln, »ich glaube, er braucht jemanden, der sich um seinen Papierkram kümmert.«

»Und – ist er nett?«

»Ja, er ist sehr nett«, bestätigte Megan, und berichtete kurz, wie sie David vor der Firma kennengelernt hatte.

Als sie das verschmitzte Grinsen in Julies Gesicht sah, hob sie abwehrend die Hände. »Oh nein Julie, du brauchst gar nicht so zu gucken, er ist verheiratet, und zwar mit der Tochter vom Chef. Also kein Grund, auf dumme Gedanken zu kommen, ich arbeite für ihn und weiter nichts.«

»Ist ja schon gut«, brummte die Freundin, dann zwinkerte sie ihr zu. »Aber immerhin haben deine Beine wohl Eindruck auf ihn gemacht, und du weißt, dass ich jederzeit gerne auf Lisa aufpasse, falls du mal Überstunden machen musst.«

»Du bist einfach unverbesserlich«, lachte Megan. »Danke für das Angebot, aber ich glaube kaum, dass ich es in Anspruch nehmen werde.«

Sie plauderten noch eine ganze Weile über alles Mögliche, und irgendwann schaute Megan erschrocken auf die Uhr.

»Verdammt, ich muss schleunigst nach Hause, sonst gibt es wieder Ärger.«

Obwohl Julie alles andere als begeistert war, bezahlten sie schnell und machten sich auf den Heimweg. Vor der Haustür verabschiedeten sie sich, und rasch ging Megan nach oben.

Wie erwartet, kam Brad sofort aus dem Wohnzimmer geschossen, als er sie hörte, und warf ihr einen anklagenden Blick zu. »Na, sieht wohl so aus, als hättest du mal wieder Spaß gehabt heute Abend.«

»Brad bitte, es ist spät und ich bin müde. Lass uns jetzt nicht anfangen zu streiten.«

»Es ist spät und ich bin müde …«, äffte er sie mit verstellter Stimme nach, und packte sie dann wütend am Arm. »Das ist mir egal, dann komm gefälligst beizeiten nach Hause.« Grob begann er, an ihrer Bluse zu zerren. »Und nachdem du dich ja offenbar gut amüsiert hast, möchte ich jetzt auch noch ein bisschen Spaß haben.«

»Hör auf damit«, fuhr sie ihn an, und im gleichen Moment öffnete sich die Tür zu Lisas Zimmer.

»Warum seid ihr so laut?«, fragte die Kleine und rieb sich schlaftrunken die Augen.

Erleichtert machte Megan sich von Brad los und schob ihre Tochter wieder ins Zimmer. »Wir haben uns nur unterhalten«, erklärte sie leise und brachte sie wieder in ihr Bett. Sie zog sich rasch aus und legte sich zu ihr, nahm sie liebevoll in den Arm. »Und jetzt schlaf weiter meine Süße, es ist alles in Ordnung.«

7

Am nächsten Nachmittag gegen sechzehn Uhr machte Megan sich daran, ihre Sachen einzupacken, misstrauisch beäugt von den Kolleginnen.

»Wo willst du denn hin?«, fragte Jennifer, »es ist doch noch nicht Feierabend.«

»Ich habe eine Sonderaufgabe«, erklärte Megan ausweichend, und verschwand, bevor jemand die Gelegenheit hatte, genauer nachzufragen.

Sie hielt es für besser, sich nicht darüber auszulassen, dass sie für David arbeiten sollte, denn das würde garantiert nur wieder irgendwelche gehässigen Bemerkungen nach sich ziehen.

Ein wenig aufgeregt fuhr sie mit dem Fahrstuhl nach oben, klopfte kurz an, und betrat dann nervös Davids Büro.

»Da sind Sie ja«, begrüßte er sie, »ich dachte schon, Sie hätten es sich vielleicht doch anders überlegt.«

»Tut mir leid, wenn ich zu spät bin, ich wusste nicht genau, wann Sie mich erwarten.«

»Kein Problem«, nickte er, »ich habe es nicht eilig.«

Megan stellte ihre Tasche ab und setzte sich dann auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch. »Okay, was genau soll ich machen?«

»Wenn ich das nur wüsste«, seufzte er, »ich hoffe, Sie haben eine Idee, wie wir dieses Durcheinander hier in eine vernünftige Ablage verwandeln können.«

»Darf ich?«, fragte sie zögernd und deutete auf den Papierberg.

»Ja sicher, tun Sie sich keinen Zwang an.«

Wenig später saßen sie zusammen auf dem Fußboden, um sich herum etliche kleine Papierstapel. Gemeinsam gingen sie jedes einzelne Blatt durch, und anhand von Davids Erklärungen ordnete Megan die Unterlagen den jeweiligen Stapeln zu.

Sie waren so in ihre Arbeit vertieft, dass sie überhaupt nicht bemerkten, wie schnell die Zeit verging, und irgendwann schaute David stirnrunzelnd auf die Uhr.

»Mein Gott, es ist ja schon so spät. Ich wollte Sie gar nicht so lange hier festhalten.«

Obwohl Megan klar war, dass es zu Hause garantiert wieder Ärger geben würde, lächelte sie. »Schon gut, ich habe ja auch nicht auf die Zeit geachtet.«

Er stand auf und reichte ihr dann die Hand, zog sie vom Boden hoch. »Dann fahren Sie jetzt nach Hause, und wenn Sie einverstanden sind, machen wir morgen weiter.«

Megan warf einen kritischen Blick auf die ganzen Papiere, die auf dem Fußboden lagen. »Und was machen wir damit?«

»Machen Sie sich keine Gedanken, das kann ruhig so liegen bleiben. Außer mir kommt ja momentan niemand hier herein, und ich werde mich hüten, das Ganze jetzt wieder durcheinanderzubringen«, schmunzelte er.

»In Ordnung«, nickte sie, griff nach ihrer Tasche und ging zur Tür. »Dann einen schönen Feierabend.«

»Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte David leise, »wir sehen uns dann morgen.«

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