Auf keinen Fall Liebe
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Klappentext
Nach sechs Jahren kehrt Faith in ihr Elternhaus zurück, um an der Beerdigung ihres Vaters teilzunehmen und in Ruhe über ihre weitereZukunft nachzudenken.Von Erholung kann jedoch keine Rede sein, denn der verstorbene Landarzt hat ihr einen äußerst verführerischen Nachfolger hinterlassen …
Leseprobe
Kapitel 1
Die Sonne stand schon tief, als das silbergraue Mercedescoupé die Ortseinfahrt von St. Albury passierte. Langsam fuhr Faith Havering die Hauptstraße entlang und stellte auf den ersten Blick fest, dass sich nichts verändert hatte. Vor sechs Jahren war sie das letzte Mal hier gewesen, und alles sah noch genauso aus wie früher.
Wohnhäuser im viktorianischen Stil wechselten sich mit den in Cornwall üblichen Cottages ab, dazwischen gab es kleine Geschäfte, eine Apotheke, eine Bank und natürlich den Pub. In der Mitte des Dorfes lag die Kirche, direkt gegenüber das Rathaus, vor dem wie eh und je der Brunnen mit der Statue des Schutzheiligen von St. Albury plätscherte. Lächelnd dachte sie daran, wie sie als Kinder immer darin herumgeplanscht hatten, und sich im Teenageralter dort abends mit Freunden verabredet hatten.
Wenige Minuten später hatte sie den Ortskern durchquert und hielt vor einer großen, alten Villa, die sich am Ende einer kleinen Seitenstraße befand. Faith stellte den Motor ab und mit einem leichten Druck im Magen ließ sie ihren Blick über die Fassade des Gebäudes gleiten.
Auch hier hatte sich nichts verändert. Wie früher blätterte die Farbe von den Wänden, die Fensterläden vor den Scheiben hingen schief in den Angeln, die Stützbalken der umlaufenden Veranda wirkten morsch.
Mit einem leisen Seufzer stieg sie aus und ging zögernd auf den Eingang zu.
‚Elliot Havering, M.D.‘ stand auf dem kleinen Messingschild neben der Türglocke.
Faith schluckte, fuhr wehmütig mit den Fingerspitzen über das kühle, blank polierte Metall.
Rasch schob sie die aufsteigenden Erinnerungen beiseite und drückte den Türgriff herunter. Die schwere Holztür mit der bunten Bleiglasscheibe schwang auf, der vertraute Geruch von Bohnerwachs und Desinfektionsmitteln schlug ihr entgegen.
Langsam betrat sie den großräumigen Flur mit den langen Bänken an den Wänden. Im Haus war es vollkommen still, es schien niemand da zu sein.
»Tante Polly? Tante Molly?«, rief sie unsicher, während sie den Kopf in die Küche steckte.
Alles war ordentlich und sauber, auf dem großen Esstisch stand eine Schale mit Schokoladencookies, die einen herrlich aromatischen Duft verströmten.
Faith lächelte. Es hatte sich wirklich nichts verändert; nach all den Jahren wussten ihre Tanten immer noch ganz genau, wie sehr sie diese Plätzchen liebte. Bestimmt würden die beiden gleich auftauchen, sie konnten nicht weit sein, sonst hätten sie die Haustür verschlossen.
Dann wurde ihr Gesicht wieder ernst. Sie überquerte den Flur und öffnete zaghaft die Tür zum Untersuchungszimmer. Der Raum lag im Halbdunkel. Durch die zur Hälfte heruntergelassene Jalousie des großen Fensters fiel ein breiter Streifen Sonnenlicht herein, in dessen Strahl Abertausende von winzigen Staubkörnchen tanzten.
Auf wackeligen Beinen machte sie ein paar Schritte vorwärts.
Erneut prasselten die Erinnerungen auf sie ein. Sie sah ihren Vater am Schreibtisch sitzen, den zerknitterten, weißen Arztkittel nachlässig zugeknöpft, die Lesebrille mit dem Goldrand auf der Nasenspitze, den Kopf über eine Patientenakte gebeugt.
Tränen stiegen ihr in die Augen, blinzelnd starrte sie auf den Stuhl mit dem abgeschrammten, grünen Lederbezug.
»Die Praxis ist geschlossen«, hörte sie im gleichen Augenblick eine tiefe Stimme hinter sich.
Erschrocken fuhr sie herum, wischte sich hastig mit dem Handrücken die Feuchtigkeit von der Wange.
»Das ist mir bekannt«, erwiderte sie kühl, während sie den Mann musterte, der in der Tür stand.
Ein Paar lange Beine und schmale Hüften, die in einer ausgeblichenen Jeans steckten. Eine dunkelblaue Sweatjacke, darunter ein weißes Polohemd, das sich über einem muskulösen Brustkorb und ebenso kräftigen Schultern spannte. Dunkles, kurzes Haar, eine kleine, widerspenstige Haarlocke, die ihm in die Stirn fiel. Ein energisches Kinn, sinnlich wirkende Lippen, ungewöhnlich hellgraue Augen, die sie aufmerksam und abschätzend taxierten.
Obwohl sie ein gutes Stück voneinander entfernt standen, nahm sie deutlich seine maskuline Ausstrahlung wahr, die Ausstrahlung eines Mannes, der genau wusste, welche Wirkung er auf Frauen hatte. Unwillkürlich hielt sie die Luft an.
»Dr. Edwards im West Cornwall Hospital in Penzance betreut im Moment die Patienten von Dr. Havering«, erklärte er, nachdem er eine Weile äußerst selbstsicher ihrem Blick begegnet war. »Oder handelt es sich um einen Notfall?«
Faith runzelte die Stirn. »Notfall?«, wiederholte sie verständnislos.
»Haben Sie Schmerzen? Sind Sie verletzt?«, fragte er, eine leichte Ungeduld schwang in seiner Stimme mit.
In diesem Augenblick tauchte ein zweites, hellgraues Augenpaar neben ihm auf.
»Ich will hier nicht bleiben.«
Tränen schimmerten in den Augen des etwa sechsjährigen, braun gelockten Mädchens. Sie drückte einen alten Teddybären an sich und schaute den Mann kläglich an, ohne Faith zu beachten.
Die Überlegenheit in seinem Blick verschwand, eine Mischung aus Wärme, Schmerz und Hilflosigkeit trat an ihre Stelle.
»Emily, bitte, ich habe doch versucht, es dir zu erklären«, sagte er leise.
Sein Selbstbewusstsein war plötzlich wie weggewischt, er sah mindestens genauso unglücklich aus wie die Kleine.
Irritiert beobachtete Faith die beiden, sah, wie er krampfhaft nach den richtigen Worten suchte, um das Kind zu beruhigen. Spontan machte sie ein paar Schritte vorwärts, unterdrückte den Impuls, ihm tröstend über den Kopf zu streichen. Sie ging vor dem Mädchen in die Hocke, ohne zu bemerken, dass ihr enger Rock dadurch ziemlich weit nach oben rutschte.
»Das ist aber schade, dass du nicht hierbleiben willst«, lächelte sie, »dabei habe ich in der Küche noch so viele Geheimkekse, ich weiß gar nicht, was ich damit machen soll.«
Mit einem scheuen Blick schaute die Kleine sie an, an ihren langen dunklen Wimpern klebten die Tränen. »Geheimkekse? Wonach schmecken die?«, fragte sie zögernd, schwankend zwischen Misstrauen und Neugier.
»Hm, ich habe keine Ahnung, deswegen sind sie ja auch so geheim«, erwiderte Faith mit gespielter Ratlosigkeit. »Ich müsste sie noch mal probieren. – Magst du mir vielleicht dabei helfen? Irgendetwas sagt mir, dass du eine ganz tolle Geheimkeksprobiererin bist.«
Nach einem längeren Zögern nickte Emily schließlich. »In Ordnung.«
Faith lächelte zufrieden, stand wieder auf und hielt der Kleinen die Hand hin. »Na dann komm, gehen wir hinüber in die Küche und sehen mal nach.«
Vertrauensvoll schob Emily ihre Finger in Faiths Hand und folgte ihr aus dem Raum.
Während Faith mit ihr den Flur durchquerte, spürte sie, wie sich der Blick des Mannes in ihren Rücken bohrte, und ihre Nackenhaare richteten sich auf.
Sekunden später saß Emily kauend am Küchentisch, einen Teller mit Schokoladencookies vor sich.
»Und?«, fragte Faith schmunzelnd, »was meinst du? Was für eine Sorte ist es?« Sie nahm sich ebenfalls ein Plätzchen und biss hinein. »Ich kann es einfach nicht feststellen.«
»Schokolade«, erklärte Emily vergnügt.
»Hm – stimmt, du könntest recht haben«, lachte Faith.
Genießerisch leckte sie sich den klebrigen Schokoladenguss von den Fingern. Dabei fiel ihr Blick auf den Mann, der in der Küchentür stehen geblieben war und sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen beobachtete. Abrupt hielt sie inne, ein Schauer lief ihr über den Rücken. Hastig drehte sie sich um, öffnete den Wasserhahn am Spülbecken und wusch sich ausgiebig die Hände, während sie überlegte, was sie nun tun sollte.
Sie hatte erwartet, ihre Tanten anzutreffen. Stattdessen standen nun ein fremder Mann und ein Kind in ihrem Elternhaus, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Mit Sicherheit stammten die beiden nicht aus St. Albury; Faith war hier aufgewachsen und kannte beinahe jeden.
Bevor sie dazu kam, sich weitere Gedanken zu machen, hörte sie das Getrappel von Schritten im Flur. Sie drehte sich um und sah die zwei Schwestern ihrer Mutter, Polly und Molly Graham, hereinkommen.
Die grauhaarigen, älteren Damen glichen sich wie ein Ei dem anderen, es war unverkennbar, dass sie Zwillingsschwestern waren. Sie strahlten über ihre rundlichen, rosigen Gesichter und fielen ihr nacheinander um den Hals.
»Faith, wie schön, dass du da bist, auch wenn es ein trauriger Anlass ist«, sagte Molly und drückte sie liebevoll an sich.
Faiths Miene verhärtete sich. »Schon gut«, wehrte sie ab und warf an Mollys Schulter vorbei einen fragenden Blick in Richtung des Mannes, der das ganze Szenario schweigend betrachtet hatte.
»Oh Faith«, nickte Polly sogleich hastig, »das ist Dr. Lucian Clarke. – Dr. Clarke, unsere Nichte Faith Havering.«
»Dr. Clarke«, murmelte Faith gedehnt, während sich eine ungute Vorahnung in ihr ausbreitete. »Was …?«
»Und du musst Emily sein«, fiel Polly ihr augenblicklich ins Wort, und wandte sich der Kleinen zu. »Schön, dass du nun auch da bist, dein Dad hat uns bereits viel von dir erzählt.«
Faiths Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, verstärkte sich noch. Sie runzelte die Stirn, kam jedoch nicht dazu, etwas zu sagen, denn Emily verschränkte jetzt abweisend die Arme vor der Brust.
»Er ist nicht mein Dad«, betonte sie anklagend und ihre großen, hellgrauen Augen schwammen erneut in Tränen.
Himmel, was ist hier bloß los?, schoss es Faith entnervt durch den Kopf.
Sie hatte knapp sieben Stunden im Auto gesessen, war von London hierher gefahren, um an der Beerdigung ihres Vaters teilzunehmen. Anschließend wollte sie den Nachlass regeln, ein paar Tage ausspannen und überlegen, wie es mit ihrem Leben weitergehen sollte. Eigentlich hatte sie vorgehabt, alles in Ruhe mit ihren Tanten zu besprechen.
Stattdessen sah sie sich nun mit einem Mann konfrontiert, der aussah, als wäre er einem Titelblatt von Men‘s Health entsprungen und dessen Blicke reichlich provozierend waren. Seine kleine Tochter – denn das war sie ohne jeden Zweifel – behauptete, er sei nicht ihr Vater und schien mehr als verstört zu sein.
Obendrein versuchten Polly und Molly ganz offensichtlich, irgendetwas vor ihr zu verbergen, und ihr war klar, dass es irgendwie mit diesem Dr. Clarke zu tun haben musste.
»Warum essen wir nicht erst einmal zu Abend?«, schlug Molly jetzt fröhlich vor und nahm eine Schüssel mit Kartoffelsalat aus dem Kühlschrank. »Alles Weitere können wir später besprechen.«
»Das ist eine gute Idee«, stimmte Polly zu. Sie lächelte Emily freundlich an. »Willst du mithelfen?«
Die Kleine schniefte leise, nickte dann aber zustimmend und krabbelte vom Stuhl. Während sie zusammen mit Polly ein paar Würstchen aufwärmte, beobachtete Faith entgeistert, wie Lucian Clarke mit allergrößter Selbstverständlichkeit an den Küchenschrank ging und Teller herausnahm.
Dass er als Mann den Tisch deckte, fand sie dabei weniger erstaunlich als vielmehr die Tatsache, dass er sich benahm, als wäre er hier zu Hause.
Ein Anflug von Ärger stieg in ihr auf, doch dem Kind zuliebe verkniff sie sich jeglichen Kommentar.
Kurz darauf saßen sie alle gemeinsam am Tisch und aßen.
Polly und Molly kümmerten sich rührend um Emily, während Faith missmutig auf ihrem Teller herumstocherte. Immer wieder spürte sie Lucian Clarkes Blick auf sich und nahm sich vor, sofort nach der Mahlzeit in Erfahrung zu bringen, was hier eigentlich vor sich ging.
…
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