Eine Prinzessin für den Cowboy

Ebook & Taschenbuch

Janey Richards führt ein unbeschwertes Leben in San Francisco, bis die Einladung zur Testamentseröffnung ihres Vaters sie nach Elkpoint führt. Plötzlich ist sie Besitzerin einer Ranch, zusammen mit dem unfreundlichen Cowboy Quinn Majors. Während Quinn alles versucht, um die unerwünschte Geschäftspartnerin wieder loszuwerden, ist Janey entschlossen, dem Geheimnis um die Trennung ihrer Eltern auf die Spur zu kommen. Verbissen trotzt sie Quinns Schikanen und gerät immer wieder mit ihm aneinander, bis die Funken des Zorns schließlich ein leidenschaftliches Feuer entzünden …

Kapitel 1

»Sind Sie sicher, dass wir hier richtig sind?«

Irritiert runzelte Janey die Stirn und schaute auf die verlassene Hauptstraße des kleinen Ortes, die von den altmodischen Straßenlaternen in ein trübes Licht getaucht wurde.

»Ja Ma‘am, das ist Elkpoint«, bestätigte der Taxifahrer nach einem kurzen Blick auf eine nicht sehr vertrauenerweckende Karte, die er neben dem Armaturenbrett festgeklemmt hatte. Als er ihr entgeistertes Gesicht bemerkte, fügte er grinsend hinzu: »Ist ein bisschen abgeschieden, was?«

Abgeschieden. Abgeschieden war die Untertreibung schlechthin. Janey seufzte. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, hierher zu kommen. Sie hätte sich stattdessen lieber ein Zimmer in Idaho Falls nehmen und am anderen Morgen nach Elkpoint fahren sollen. Aber jetzt war es zu spät für Reue und sehr viel schlimmer konnte es ja nicht mehr werden.

Das war jedoch ein Trugschluss, stellte sie fest, als das Taxi kurz darauf in eine kleinere Straße abbog, die sich zwischen dichten Wäldern hindurch am Fuß der Berge entlang schlängelte. Hier sagten sich wirklich Fuchs und Hase ‚Gute Nacht‘ – oder wohl eher Wölfe und andere Tiere, über die sie lieber nicht so intensiv nachdenken wollte.

Allmählich bekam sie ein wenig Angst. Vielleicht war das gar kein Taxifahrer, sondern ein Psychopath, der sie irgendwo in die Pampa verschleppte, um ihr irgendwelche schrecklichen Dinge anzutun. Nervös umklammerte sie ihre Handtasche und überlegte, ob sie ihr Handy nehmen und die Polizei anrufen sollte. Doch vermutlich hatte sie hier in dieser Wildnis nicht einmal ein Netz.

Etwa dreißig Minuten später fuhren sie unter einem hölzernen Torbogen hindurch und Janey atmete erleichtert auf. Sekunden darauf hielt der Wagen vor einem großen, blockhüttenartigen Haus.

»Das ist sie Ma‘am, die ‚Bear Paw Ranch‘.«

Nachdem der Fahrer die Innenbeleuchtung angeknipst hatte, reichte Janey dem Mann die Hundert Dollar, die sie als Pauschalpreis vereinbart hatten, und gab ihm noch einen Zwanziger dazu.

»Der Rest ist für Sie.«

»Vielen Dank, Ma‘am.«

Sie stiegen aus, der Taxifahrer nahm ihr Gepäck aus dem Kofferraum und nickte ihr zu.

»Einen angenehmen Aufenthalt«, wünschte er ihr, während er wieder einstieg.

Der Wagen fuhr davon, und mit einem leisen Seufzen griff Janey nach ihrer Reisetasche und steuerte auf die Eingangstür zu. Zaghaft klopfte sie gegen das Holz, und als sich nichts rührte, wiederholte sie es noch einmal etwas fester. Da drinnen alles still blieb, drückte sie versuchsweise die Klinke herunter – verschlossen.

Na toll, ging es ihr frustriert durch den Kopf, das fängt ja schon gut an. Dabei hatte sie doch extra eine Mail geschickt, um ihr Eintreffen anzukündigen. Nach kurzem Überlegen schnappte sie ihre Tasche und umrundete das Haus. Wenn sie Glück hatte, gab es eine Küchentür, die nicht abgeschlossen war. Notfalls würde sie durch ein Fenster einsteigen. Sie hatte gar keine andere Wahl. Es war bereits fast Mitternacht, sie war seit dem frühen Morgen unterwegs und hundemüde. Das nächste Hotel war vermutlich meilenweit entfernt und das Taxi verschwunden, also musste sie sich hier irgendwie Zutritt verschaffen.

Im Hof gab es ebenfalls keine Beleuchtung, dennoch konnte sie zu ihrer Linken schemenhaft zwei kleinere Gebäude erkennen. Langsam und mit unsicheren Schritten stapfte sie vorwärts, bis sie eine Hintertür fand, die zu ihrer Freude tatsächlich nicht verschlossen war.

Zögernd betrat sie das Haus. Drinnen war es nahezu stockfinster, durch das winzige Fenster in der Tür fiel kaum Mondlicht herein. Blindlings tastete Janey an der Wand herum, in der Hoffnung einen Lichtschalter zu finden. Sie erfühlte etwas, das ihr wie ein Regal erschien, und vorsichtig hangelte sie sich daran entlang. Dabei stieß sie mit dem Ellenbogen an irgendeinen Gegenstand, der mit lautem Scheppern zu Boden krachte.

Erschrocken hielt sie inne und lauschte. Dann schüttelte sie unwirsch den Kopf. Warum schlich sie sich eigentlich hier herein wie ein Dieb? Sie hatte doch alles Recht der Welt, hier zu sein. Entschlossen schob sie sich weiter vorwärts, und hörte kurz darauf ein leises Geräusch. Eine Sekunde später flammte das Licht auf. Als sich ihre Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten, blinzelte sie mitten hinein in die Mündung eines Gewehrs, das auf sie gerichtet war.

Entgeistert starrte Janey den Mann an, der vor ihr stand. Dass er mit der Waffe auf sie zielte und den Finger am Abzug hatte, nahm sie jedoch nur am Rande wahr. Vielmehr war es sein Aussehen, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. In ihrem Job als Journalistin für das ‚Golden Gate‘, ein Lifestyle-Magazin, hatte sie einige attraktive Männer kennengelernt. Dieser hier war allerdings ein besonders ansehnlicher Vertreter seiner Gattung.

Offenbar war er direkt aus dem Bett gekommen, denn sein kurzes, dunkelblondes Haar war zerzaust, was ihm einen sexy Look verlieh. Unterstrichen wurde dieser Eindruck von dem Jeanshemd, das er übergezogen hatte, ohne es zu schließen. Ein dunkler Haarflaum zierte seine muskulöse Brust und verjüngte sich V-förmig in Richtung Bauchnabel, um dann in den Tiefen seiner ausgewaschenen Jeans zu verschwinden. Ebenso dunkel waren die Bartstoppeln, die sein kantiges Kinn und den energischen Mund umgaben. Über einer ebenmäßigen Nase funkelten sie zwei bernsteinfarbene Augen mit einer Mischung aus Ärger und Neugier an.

Einen Moment lang schauten sie sich stumm an, bis das Prachtexemplar von Mann schließlich zuerst seine Sprache wiederfand.

»Was zur Hölle tun Sie hier?«

»Das Gleiche könnte ich Sie fragen«, gab Janey zurück und warf einen vorwurfsvollen Blick auf das Gewehr. »Ist das Ihre übliche Art, Gäste zu empfangen?«

»Gäste pflegen sich für gewöhnlich nicht nachts durch die Hintertür ins Haus zu schleichen.«

»Ich bin nicht geschlichen.«

»Stimmt, eine Herde Elefanten hätte das wohl leiser hinbekommen«, bestätigte er trocken. »Also, was haben Sie hier zu suchen?«

»Wie wäre es, wenn Sie das Schießeisen runternehmen und mich hereinlassen würden?«

Er zögerte einen Moment, dann nickte er. »Gut, aber keine Mätzchen.«

»Ich werde bestimmt nicht über Sie herfallen«, sagte Janey spöttisch, während sie ihm in die Küche folgte.

Rasch ließ sie ihren Blick schweifen. Die Einrichtung war in die Jahre gekommen, doch sauber. Modern waren lediglich der große Elektroherd, die Mikrowelle und ein Kaffeeautomat. Die chromblitzenden Geräte standen in krassem Gegensatz zu den hellgrün gestrichenen Schränken, die aussahen, als wären sie selbst geschreinert worden. Das Abflussrohr des rechteckigen Waschbeckens wurde von einem geblümten Vorhang verdeckt, dessen Muster sich in den Übergardinen wiederholte. Kräutertöpfe auf der Fensterbank sowie eine große Schale mit Obst auf dem rustikalen Eichentisch davor verbreiteten einen intensiven Duft, und trotz seiner Schlichtheit wirkte der Raum sehr heimelig.

Nachdem er das Gewehr neben sich auf die gekachelte Arbeitsfläche gelegt hatte, lehnte der Mann sich lässig gegen einen Unterschrank und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Also?«

»Ich nehme an, Sie sind der Verwalter?«

»Quinn Majors, ja«, entgegnete er knapp, »und mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Ich bin Janey Richards – haben Sie meine Mail nicht bekommen?«

Bei der Nennung ihres Namens verdüsterte sich sein Gesicht. »Nein«, er zuckte mit den Achseln, »ich weiß von keiner Mail.«

»Komisch, es kam aber keine Fehlermeldung zurück«, murmelte Janey mehr zu sich selbst. Dann fuhr sie in Quinns Richtung fort: »Naja, wie auch immer – wie Sie vielleicht wissen, wird morgen das Testament meines Vaters eröffnet. Da es von San Francisco aus eine längere Reise bis hierher ist, dachte ich mir, es wäre besser, heute schon herzukommen und hier zu übernachten«, erklärte sie.

Seine Miene wurde noch eine Spur finsterer. »Die Gästezimmer sind alle belegt«, brummte er abweisend. »Sie werden sich mit der Couch begnügen müssen oder ich rufe Ihnen ein Taxi, das Sie in ein Motel bringt.«

Janey war seine plötzliche Ablehnung nicht verborgen geblieben. Es gab keinen Zweifel daran, dass er von ihrem Erscheinen nicht sonderlich begeistert war und sie am liebsten vor die Tür gesetzt hätte. Wenn sie nicht so müde wäre, würde sie es auf eine Diskussion ankommen lassen, denn sie war sich sicher, dass es irgendwo im Haus einen bequemen Platz für sie gab. Doch sie sehnte sich nur noch danach, sich hinzulegen und zu schlafen, und so verzichtete sie darauf, sich mit ihm auseinanderzusetzen.

»In Ordnung, dann nehme ich die Couch«, erklärte sie daher ruhig, aber bestimmt.

Er presste die Lippen aufeinander und machte eine unwirsche Bewegung mit dem Kopf, die ihr bedeutete, ihm zu folgen.

Mit energischen Schritten ging er voran, verließ die Küche, durchquerte die Eingangshalle und führte sie in einen großen Wohnraum. Vor einen gemauerten Kamin, in dem ein behagliches Feuer brannte, standen zwei Sofas und mehrere Sessel, gegenüber befand sich ein langer Esstisch. Auf dem Holzfußboden lagen bunte Webteppiche, die Wände waren dekoriert mit diversen Geweihen, Bärenköpfen und indianischen Wandbehängen.

»Das ist der Aufenthaltsraum für die Gäste«, erklärte er und deutete auf ein Sofa. »Sie können dort schlafen, das Bad ist oben, die erste Tür links.«

Janey nickte nur stumm und stellte ihre Tasche ab.

Ohne ein weiteres Wort wandte Quinn sich zum Gehen, drehte sich dann jedoch noch einmal um.

»Ich nehme an, Sie reisen morgen wieder ab?«

»Ja, das habe ich vor.«

»Gut.«

Die Erleichterung war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, als er sich abwandte und den Raum verließ.

Sekundenlang schaute sie ihm irritiert nach, und fragte sich, weshalb dieser Mann so abweisend zu ihr war. Dann schüttelte sie den Gedanken ab, zog ihre Schuhe aus, rollte sich auf einem der Sofas zusammen und deckte sich mit einem Quilt zu, der auf einem Sessel gelegen hatte.

Es dauerte nicht lange, bis ihr die Augen zufielen, und während sie in den Schlaf hinüberdämmerte, ging ihr durch den Kopf, dass sie diesen seltsamen Cowboy gar nicht nach ihrem Vater gefragt hatte.

Nach einer ausgiebigen Dusche betrat Janey am nächsten Morgen die Küche, wo eine ältere, grauhaarige Frau eifrig herumwerkelte.

»Hallo«, grüßte Janey zurückhaltend.

Die Frau drehte sich zu ihr um, und für einen Augenblick wirkte sie, als hätte sie ein Gespenst gesehen. Doch dann fing sie sich wieder und nickte Janey freundlich zu. »Sie haben sich in der Tür vertan, das Frühstück gibt es drüben im Aufenthaltsraum. Es dauert allerdings noch einen Moment.«

»Oh, nein, ich bin kein Gast«, klärte Janey den offensichtlichen Irrtum auf, »ich bin Janey Richards, James Andersons Tochter.«

Die Frau zuckte kaum merklich zusammen und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. »Natürlich«, sagte sie dann mit einem kleinen Lächeln, »wie konnte ich nur so dumm sein? Ich bin Gladys Pendleton, die Haushälterin. – Möchtest du eine Tasse Kaffee, Kindchen?«

»Ja, gerne.«

Janey setzte sich an den großen Eichentisch, der in einer Ecke stand, und Gladys stellte einen Becher mit Kaffee und einen Teller mit frischen Waffeln vor sie hin.

»Du bist wegen der Testamentseröffnung hier, richtig?«, fragte sie, während sie sich weiter mit der Zubereitung des Frühstücks für die Gäste beschäftigte. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Schade, dass du deinen Vater nicht mehr kennengelernt hast. Er war ein netter Mann. Natürlich hatte er auch seine Fehler, er konnte furchtbar dickköpfig und aufbrausend sein. Aber trotzdem sind wir sehr traurig, dass er so früh gestorben ist. Das Einzige, was uns ein bisschen tröstet, ist, dass er nicht lange leiden musste, es ging relativ schnell.«

»Was ist eigentlich passiert?«

»Er hatte sich eine Erkältung eingefangen. Quinn und ich haben ihn mehrmals gedrängt, zum Arzt zu gehen, doch er weigerte sich und tat es als harmlosen Schnupfen ab. Als der Husten schließlich schlimmer wurde und hohes Fieber hinzukam, bestellte Quinn Dr. Lawson her, und der diagnostizierte eine Lungenentzündung. Er wurde sofort ins Krankenhaus gebracht und bekam Antibiotika, aber es war schon zu spät.«

Janey schwieg einen Moment. »Kannten Sie ihn gut?«, wollte sie dann wissen.

»Sag ruhig Gladys zu mir, Kindchen. – Ich habe viele Jahre für Jim gearbeitet, da lernt man sich zwangsläufig ein wenig kennen.«

»Hat er … hat er irgendwann mal über mich gesprochen?«

Bedauernd zuckte Gladys mit den Achseln. »Nicht mit mir, aber vielleicht mit Quinn. Die beiden standen sich sehr nahe, fast wie Vater und Sohn, und Jim hat ihm bedingungslos vertraut.«

Gladys nahm einen Stapel Teller aus dem Schrank. »Ich muss jetzt drüben den Tisch für die Gäste decken.«

»Ich könnte helfen«, bot Janey an.

»Nicht nötig, bleib ruhig sitzen.«

Janey sprang auf. »Ich tue es wirklich gerne. Außerdem lenkt es mich ein bisschen ab, ich bin viel zu nervös, um in Ruhe zu frühstücken.«

Gemeinsam gingen sie hinüber in den Aufenthaltsraum, und als Gladys‘ Blick auf den Koffer fiel, der neben der Couch stand, schüttelte sie den Kopf.

»Hast du etwa hier auf dem Sofa geschlafen?«

Bevor Janey etwas sagen konnte, kam Quinn herein, und sogleich fing Gladys an, zu schimpfen.

»Quinn Majors, was sind das bloß für Manieren? Du kannst doch das Mädel nicht im Aufenthaltsraum übernachten lassen.«

»Schon gut, es hat mir nichts ausgemacht«, versuchte Janey, sie zu beschwichtigen. »Es war ja nur für eine Nacht.«

»Wo sollte ich sie denn sonst unterbringen? In meinem Schlafzimmer vielleicht? Die Gästezimmer sind alle belegt«, brummte Quinn missmutig.

»Du hättest ihr Jims Zimmer geben können.«

Seine Lippen verzogen sich zu zwei schmalen Strichen. »Ich gehe mich umziehen«, knurrte er, und fügte an Janey gewandt hinzu: »Ich fahre in zwanzig Minuten nach Elkpoint. Wenn ich Sie mitnehmen soll, sehen Sie zu, dass Sie bis dahin fertig sind.«

Ohne ihre Antwort abzuwarten drehte er sich um und stapfte davon.

Verständnislos schüttelte Gladys den Kopf. »Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist, normalerweise ist er nicht so unhöflich.« Tröstend legte sie Janey die Hand auf den Arm. »Mach dir nichts draus, Kindchen, er meint das bestimmt nicht persönlich.«

»Nein«, murmelte Janey, obwohl sie wusste, dass genau das Gegenteil der Fall war, »sicher nicht.«

Kapitel 2

Kurz darauf waren Janey und Quinn unterwegs in Richtung Elkpoint, wo die Testamentseröffnung stattfinden sollte.

Verbissen schweigend konzentrierte Quinn sich aufs Fahren, und so schaute Janey ebenfalls stumm aus dem Fenster und betrachtete die Landschaft. Vor ihrer Abreise aus San Francisco hatte sie sich im Internet ein wenig über ihr Reiseziel informiert. Daher wusste sie, dass sich zu ihrer Rechten die Sawtooth-Range befand, zu ihrer Linken konnte sie in der Ferne die gezackten, größtenteils schneebedeckten Gipfel der Lost River Range erkennen. Beides waren Ausläufer der Rocky Mountains und ebenso wie die restlichen Gebirge in Idaho beliebte Urlaubsziele für Skifahrer und Trekking-Touristen.

Vereinzelt tauchten ein paar Gehöfte und Farmen seitlich der Straße auf, ansonsten waren ringsum nur Felder und Wälder zu sehen.

Es dauerte etwas über dreißig Minuten, bis sie Elkpoint erreichten. Gemächlich fuhr Quinn die breite Hauptstraße entlang, bog zweimal ab und parkte den Pick-up schließlich hinter einem froschgrünen Plymouth Duster, der vor einem zweistöckigen Gebäude aus roten Backsteinen stand.

Mit gemischten Gefühlen stieg Janey aus und folgte ihm zur Tür, an der ein blank poliertes Messingschild darauf hinwies, dass sich hier die Kanzlei ‚Forsythe & Sanders‘ befand.

Quinn betätigte den altmodischen Türklopfer und Sekunden später öffnete ihnen eine junge Frau mit kastanienfarbenem Haar.

»Hi Michelle«, begrüßte Quinn sie, »wir haben einen Termin bei Trent.«

»Ich weiß.« An Janey gewandt fügte sie hinzu: »Hallo, ich bin Michelle Sanders.«

»Janey Richards.«

Sie reichten sich kurz die Hand, danach führte Michelle sie durch den Flur in ein Arbeitszimmer.

»Nehmt Platz. Möchtet ihr etwas trinken?«

»Nein, danke«, lehnte Quinn ab und auch Janey schüttelte den Kopf.

»In Ordnung, dann lasse ich euch jetzt allein. Trent wird gleich da sein.«

Michelle verschwand und nervös schaute Janey sich im Raum um. Die Einrichtung war schlicht und modern. Weiß getünchte Wände, glänzendes Parkett, ein Fenster mit silbergrauen Jalousien. Ein breites Regal mit Chromgestell und gläsernen Böden war gefüllt mit Gesetzbüchern und Aktenordnern, daneben stand eine lederne Couch mit zwei Sesseln und einem Glastisch. Die Platte des Schreibtischs war ebenfalls aus Glas und penibel aufgeräumt. Ein Laptop, ein Kalender, eine Schale mit Stiften und eine Akte waren die einzigen Anzeichen dafür, dass hier gearbeitet wurde. Außerdem gab es noch eine kleine Micky Maus-Figur, die in einen Glasblock eingeschlossen war und einen seltsamen Kontrast zu der funktionalen und nüchternen Atmosphäre bildete.

Bevor Janey sich Gedanken darüber machen konnte, öffnete sich die Tür und ein blonder Mann Mitte dreißig trat ein.

»Miss Richards, Quinn – schön, dass Sie beide da sind«, eröffnete er das Gespräch und reichte Janey die Hand. »Ich bin Trent Forsythe.«

Janey murmelte ein »Hallo« und der Anwalt ließ sich in dem ledernen Stuhl hinter dem Schreibtisch nieder. »Gut, dann halten wir uns auch nicht lange auf und beginnen direkt mit dem Wesentlichen.«

Er öffnete die Aktenmappe, entnahm ihr ein Blatt Papier und begann, vorzulesen.

»Ich, James Malcolm Anderson, erkläre hiermit im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte Folgendes zu meinem letzten Willen: Meine gesamten Besitztümer gehen zu gleichen Teilen an meine Tochter Janey Anderson und an meinen Verwalter Quinn Majors. Das beinhaltet sowohl die Bear-Paw-Ranch als auch zum Zeitpunkt meines Todes eventuell vorhandene Ersparnisse. Die Ranch soll in meinem Sinne weitergeführt werden, ein Verkauf ist für die nächsten zehn Jahre ausgeschlossen. Sollte diesem Wunsch nicht entsprochen werden, geht der Verkaufserlös an eine gemeinnützige, durch den Testamentsvollstrecker zu bestimmende Stiftung. Als Testamentsvollstrecker setze ich Mr. Trent Forsythe ein.«

Der Anwalt ließ das Dokument sinken und sah auf. Janey und Quinn starrten ihn beide entgeistert an, und schließlich war es Quinn, der als Erster seine Sprache wiederfand.

»Das ist alles?«, fragte er ungläubig. »Keine weiteren Verfügungen?«

Trent Forsythe schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Ich glaube es nicht«, quetschte Quinn fassungslos heraus. »Das kann er nicht ernst gemeint haben.«

»Das Testament ist unterschrieben und bezeugt, und somit rechtsgültig«, erklärte der Anwalt schulterzuckend. »Ihnen beiden gehört nun jeweils die Hälfte vom Besitz des Verstorbenen. – Sollen wir die weiteren Formalitäten gleich erledigen, oder wollen Sie einen zweiten Termin vereinbaren?«

»Ich muss das erst einmal verdauen«, murmelte Janey, die genauso überrascht und schockiert war wie Quinn.

»Sie wollten doch wieder abreisen«, erinnerte dieser sie grimmig. »Besser wir bringen es sofort hinter uns.«

»Oh, ich kann Ihnen die Papiere auch zusenden, das ist kein Problem«, bot der Anwalt an. »Es sind ja nur ein paar Unterschriften, für die Grundbucheintragungen, Erbschaftssteuern, und so weiter.«

Janey nickte dankbar. »Das wäre mir ganz lieb, meine Adresse haben Sie ja. Ich will nichts überstürzen.«

»In Ordnung, dann machen wir es so. Und falls Sie noch irgendwelche Fragen haben, können Sie mich jederzeit anrufen.«

Höflich begleitete Trent Forsythe Janey und Quinn zur Tür und verabschiedete sich dort von ihnen.

Wenig später standen sie draußen auf der Straße, und Janey atmete tief durch.

»Damit habe ich nicht gerechnet«, sagte sie leise.

Quinn presste die Lippen zusammen. »Soll ich Sie zum Flughafen fahren?«

Sein Tonfall war äußerst frostig, und ließ Ärger in ihr aufsteigen.

»Sie können es wohl kaum erwarten, mich wieder loszuwerden.«

»Richtig.«

»Und weshalb, wenn ich fragen darf?« Kampfeslustig schaute sie ihn an. »Was zum Teufel habe ich Ihnen eigentlich getan?«

»Fragen Sie lieber, was Sie nicht getan haben«, schnaubte er zornig. »In all den Jahren hat es Sie nicht interessiert, wie es Ihrem Vater geht. Sie haben nicht geschrieben, nicht angerufen, geschweige denn, ihn besucht, nicht einmal, als er krank war. Und jetzt, wo er tot ist, kreuzen Sie einfach hier auf und halten die Hand auf – Sie sollten sich schämen.«

Überrascht sah Janey Quinn an. Seine braunen Augen funkelten wie zwei Stück glühende Kohle, und wenn Blicke töten könnten, wäre sie in dieser Sekunde zu einem Häufchen Asche zerfallen.

Das war es also. Vermutlich hatte er gehofft, die Ranch zu bekommen, und nun gehörte ihr die Hälfte. Verständlich, dass er sauer war. Andererseits gab ihm das nicht das Recht, sie so zu behandeln. Schließlich konnte sie nichts für die Situation, weder für das Testament, noch dafür, dass sie bis vor ein paar Tagen nicht einmal von James Andersons Existenz gewusst hatte. Aber das brauchte sie diesem Cowboy nicht auf die Nase binden, alles, was sie jetzt sagte, würde in seinen Ohren sowieso nur wie eine lahme Ausrede klingen. Außerdem ging es ihn nicht das Geringste an, mochte er doch denken, was er wollte.

Eigentlich hatte sie vorgehabt, direkt nach der Testamentseröffnung wieder abzureisen. Allerdings gehörte ihr nun die Hälfte der Ranch, und sie konnte nicht einfach verschwinden, ohne sich zu überlegen, wie es nun weitergehen sollte. Irgendwie musste sie sich mit Quinn einigen, jedoch schien es nicht unbedingt ein geeigneter Zeitpunkt dafür zu sein.

»Ich fahre mit Ihnen zurück«, erklärte sie daher, »ich werde noch einen Tag länger bleiben.«

Sekundenlang sah es so aus, als wolle er widersprechen, dann presste er erneut die Lippen aufeinander und drehte sich abrupt um. Mit großen Schritten strebte er auf den Wagen zu, und Janey trippelte auf ihren hohen Schuhen hinter ihm her, so schnell sie konnte.

Wortlos stiegen sie beide ein, und kurz darauf waren sie auf dem Rückweg zur Ranch.

Wie auf der Hinfahrt starrte Quinn eisern auf die Straße, und so versuchte Janey, ihre Gedanken zu ordnen. In ihrem Kopf herrschte ein einziges Chaos, zu viel war in den letzten Tagen passiert.

Das Schreiben des Anwalts, das plötzlich in ihrem Briefkasten gelegen hatte. Die heftige Auseinandersetzung mit ihrer Mutter. Die Reise hierher, der unfreundliche Empfang, das Testament. Doch am schlimmsten von allem wog, dass sie keine Chance gehabt hatte, ihren richtigen Vater kennenzulernen.

»Fahren Sie bitte zum Friedhof«, unterbrach sie spontan die Stille.

»Was?«

»Ich möchte zum Grab meines Vaters«, wiederholte sie ihren Wunsch. »Ich würde mich gerne von ihm verabschieden.«

»Wie rührend – meinen Sie nicht, dass es ein bisschen zu spät dafür ist?«

Quinns Stimme troff vor Sarkasmus, und sie zuckte zusammen.

»Wenn es Ihnen zu viel Mühe macht, oder ein Umweg ist, dann lassen Sie mich hier aussteigen und ich rufe mir ein Taxi.«

»Nein, es macht keine Mühe«, knurrte er, »abgesehen davon, dass ich einen Haufen Arbeit auf der Ranch habe. Aber das ist ja jetzt nur noch zu fünfzig Prozent mein Problem, also was soll‘s.«

Abrupt trat er auf die Bremse, vollführte eine hundertachtzig Grad Wendung und fuhr nach Elkpoint zurück. Kurz bevor sie die Stadt erreichten, bog er links ab und Sekunden später parkte er den Wagen vor dem Eingang des White Pine Cemetery. Wortlos stiefelte er voran und Janey folgte ihm über den kleinen Friedhof, bis er plötzlich stehenblieb.

»Da vorne«, brummte er und deutete auf eine Grabstelle.

Ohne auf ihn zu achten, ging Janey langsam weiter, bis sie vor dem frisch aufgeschütteten Erdhügel stand, den ein schlichtes Holzkreuz mit dem Namen ‚Jim Anderson‘ zierte.

So lernen wir uns also kennen, dachte Janey aufgewühlt und starrte blicklos auf die Schale mit Blumen und das Grablicht, die jemand hingestellt hatte.

»Es tut mir leid Dad«, flüsterte sie erstickt. »Wenn ich auch nur geahnt hätte, dass es dich gibt, wäre ich hier gewesen, ganz bestimmt.« Sie schluckte. »Ich hätte gerne gewusst, was für ein Mensch du warst, und ob ich dir ähnlich bin.«

»Sie sind ihm sehr ähnlich«, hörte sie auf einmal Quinns Stimme direkt hinter sich. »Sie sehen genau aus wie er, haben das gleiche dunkle, lockige Haar, und die blauen Augen haben Sie ebenfalls von ihm.«

Tränen stiegen in ihr auf, und sie fing an zu weinen. Plötzlich spürte sie Quinns Hand auf ihrer Schulter und spontan drehte sie sich um und schmiegte sich an ihn. Einen Moment lang stand er hilflos da, dann legte er seine Arme um sie. Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht an seiner breiten Brust, während er ihr unbeholfen mit der flachen Hand auf den Rücken klopfte.

So verharrten sie eine ganze Weile, bis Janey sich ein wenig beruhigt hatte, und sich verlegen von ihm löste.

»Entschuldigung«, schniefte sie und kramte ein Taschentuch heraus, um sich die Nase zu putzen.

»Schon gut«, brummte er unwirsch. »Können wir dann fahren?«

Janey nickte. »Ja, sicher.«

Auf dem restlichen Weg bis zur Ranch hingen sie beide schweigend ihren Gedanken nach. Dort angekommen sprang Quinn aus dem Wagen und lief auf eines der Nebengebäude zu, ohne sich weiter um Janey zu kümmern.

Mit einem leisen Seufzen betrat sie das Wohnhaus, und ging, einem spontanen Impuls folgend, in die Küche.

Als Gladys sie sah, lächelte sie erfreut. »Du bist ja doch noch da, Kindchen, das ist schön.«

»Ja, es sind einige Dinge zu regeln«, erklärte Janey.

»Ich habe es geahnt und in Jims Zimmer bereits gelüftet und das Bett frisch bezogen«, strahlte Gladys. »Herzlich willkommen.«

Bis zum Abendessen saß Janey im Schlafzimmer ihres Vaters und versuchte, die Flut von Dingen zu verarbeiten, die in den letzten Tagen über sie hereingebrochen waren.

Noch vor einer Woche war sie die Tochter von Dorothee und Peter Richards gewesen, ohne zu ahnen, dass der Mann, den sie ‚Dad‘ nannte, überhaupt nicht ihr Vater war, zumindest nicht ihr biologischer. Dann hatte plötzlich dieses Schreiben der Anwaltskanzlei in ihrem Briefkasten gelegen, und mit einem Schlag war ihre ganze Welt zusammengebrochen. Nicht nur, dass ihre Mutter ihr achtundzwanzig Jahre lang etwas so Wichtiges verheimlicht hatte. Nicht nur, dass sie durch einen Fremden die Wahrheit erfahren hatte. Nein, sie musste sich auch gleichzeitig noch damit abfinden, dass ihr leiblicher Vater tot war. Sie hatte keine Chance gehabt, ihn kennenzulernen, und das würde sie ihrer Mutter nie verzeihen.

Mit einem leisen Seufzen schaute sie sich in dem Raum um. Ein großer, alter Kleiderschrank aus dunklem, polierten Holz befand sich an einer Wand, eine dazu passende Kommode an einer anderen. Vor dem Fenster stand ein wuchtiger Lehnsessel mit einem verschlissenen Bezug, daneben ein kleiner, runder Tisch, auf den Gladys netterweise eine Vase mit frischen Blumen gestellt hatte. Den größten Teil des Zimmers nahm jedoch das Doppelbett ein. Es war aus dem gleichen Holz wie der Schrank, mit jeweils einem gedrechselten Pfosten an den Ecken und zwei Nachttischen rechts und links. Das Kopfteil war mit Schnitzereien verziert, ein hübscher, bunter Quilt war über die gesamte Breite drapiert und verdeckte das Bettzeug, obenauf lagen ein paar Zierkissen.

Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch starrte Janey das Bett an. Hatte es schon damals vor achtundzwanzig Jahren hier gestanden? War sie, Janey, darin gezeugt worden? Hatte es nach ihrer Mutter andere Frauen gegeben, die es mit ihrem Vater geteilt hatten? Warum hatten sie sich überhaupt getrennt?

Es gab so viele Fragen, die ihr auf der Seele brannten, und auf die sie wohl niemals eine Antwort bekommen würde.

Als sie ihre Mutter zur Rede gestellt hatte, hatte diese lediglich mit den Schultern gezuckt.

»Wir haben einfach nicht zusammengepasst und ich habe ihn verlassen«, hatte sie erklärt. »Ich hielt es für besser, dir nichts davon zu sagen. Peter hat dich all die Jahre wie ein Vater großgezogen, er liebt dich wie sein eigenes Kind, und du liebst ihn. Ich wollte nicht, dass sich daran etwas ändert.«

Mehr hatte Janey nicht aus ihr herausbekommen. Dorothee hatte sämtliche Fragen abgeblockt, sie hatte sich weder von Janeys Tränen, noch von ihren Vorwürfen beeindrucken lassen. Das Gespräch hatte schließlich damit geendet, dass Janey wutentbrannt das Haus ihrer Eltern verlassen und sich vorgenommen hatte, nie wieder ein Wort mit ihrer Mutter zu sprechen.

Das war vor einer knappen Woche gewesen. Und jetzt saß sie hier, im tiefsten Hinterland von Idaho, besaß die Hälfte einer Ranch, war quasi Geschäftspartnerin eines Cowboys, der sie offensichtlich nicht ausstehen konnte, und hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.

Kapitel 3

Das Abendessen nahm Janey gemeinsam mit Quinn, Gladys und den Gästen im Wohnraum ein. Die Urlauber, zwei Geschäftsmänner im mittleren Alter sowie zwei Brüder um die zwanzig, unterhielten sich angeregt, daher fiel es nicht weiter auf, dass Quinn mürrisch auf seinen Teller starrte und Janey geistesabwesend im Essen herumstocherte.

Nachdem die Mahlzeit beendet war, stand Quinn auf und wollte mit einem knappen »Gute Nacht« verschwinden, doch Janey hielt ihn zurück.

»Wir sollten uns unterhalten.«

»Muss das jetzt sein?«, brummte er ungehalten. »Ich habe noch zu tun.«

Sie erhob sich ebenfalls und ging auf ihn zu. »Je eher, desto besser«, erklärte sie bestimmt, und fügte ironisch hinzu: »Umso schneller sind Sie mich wieder los.«

Einen Moment lang schaute er sie ablehnend an, dann zuckte er mit den Schultern. »Also gut, gehen wir ins Büro.«

Janey folgte ihm durch die Halle, er öffnete eine Tür direkt neben der Küche, knipste das Licht an und machte eine Handbewegung.

»Bitte.«

Das Erste, was sie sah, als sie den Raum betrat, war ein wuchtiger, alter Schreibtisch, der beladen war mit Unterlagen. Aus all den Papierstapeln ragte seitlich ein Computer-Monitor heraus, Tastatur und Maus mussten sich irgendwo unter den ganzen Zetteln befinden.

Ein altmodischer Schreibtischstuhl mit einem abgewetzten Lederbezug stand hinter dem Tisch, davor zwei einfache Stühle. In einem Regal, das vom Boden bis fast zur Decke reichte und sich über eine komplette Wand erstreckte, befanden sich neben unzähligen Büchern etliche Aktenordner sowie ein paar gerahmte Fotos.

Janey trat darauf zu und nahm ein Porträt in die Hand, das einen etwa fünfzigjährigen Mann mit dunklem Haar und blauen Augen zeigte.

»Ist das mein Vater?«

Quinn, der sich mit abwehrend vor der Brust verschränkten Armen an eine Kommode neben der Tür gelehnt hatte, nickte. »Ja«, bestätigte er einsilbig, und fragte dann kühl: »Also, was gibt‘s?«

»Wir sollten besprechen, wie es nun weitergehen soll«, sagte Janey, und bemühte sich, ruhig zu bleiben, obwohl seine abweisende Haltung erneut Ärger in ihr aufsteigen ließ.

»Falls Sie auf Geld spekulieren, muss ich Sie enttäuschen – ich besitze leider nicht genug, um Sie auszuzahlen«, erwiderte er schroff. »Die Ersparnisse, von denen im Testament die Rede war, beschränken sich auf ein paar hundert Dollar. Jim hat alle Einnahmen immer gleich wieder in die Ranch investiert und das Geschäft lief seit geraumer Weile nicht mehr so gut.«

»Ich bin nicht am Geld interessiert, ich habe meinen Job und mein Auskommen.«

»Na prima, dann können Sie ja unbesorgt nach Hause fahren.«

»Das könnte Ihnen so passen.« Herausfordernd funkelte sie ihn an. »Ich weiß, dass Sie mich für eine Erbschleicherin halten, aber wenn man es sich genau betrachtet, ist es wohl eher umgekehrt der Fall.«

Quinn wurde blass. »Wollen Sie mir unterstellen, dass ich es auf die Ranch abgesehen habe?«

»Nun, immerhin war er mein Vater und …«

Weiter kam sie nicht, denn da machte er einen Schritt auf sie zu und baute sich wütend vor ihr auf.

»Ich war derjenige, der sich die ganzen Jahre um ihn gekümmert hat, und ich war es, der in seinen letzten Stunden bei ihm war«, fauchte er. »Sie haben weder das Recht, sich als Jims Tochter zu bezeichnen, noch haben Sie Anspruch auf die Ranch oder sonst irgendetwas.«

Drohend ragte er vor ihr auf und trotz ihrer hohen Absätze musste sie den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Das samtige Braun seiner Augen war wieder der schwarz-glühenden Kohle gewichen, und sein Blick ließ keinen Zweifel daran, wie zornig und verletzt er war.

»Wir sollten das wie zwei erwachsene Menschen regeln«, murmelte sie und wich instinktiv ein Stück zurück.

»Was mich anbelangt, gibt es nichts zu regeln«, knurrte er ablehnend. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie verschwinden wieder in ihr bequemes Luxus-Leben, ich führe die Ranch weiter wie bisher und überweise Ihnen regelmäßig ihren Anteil am Gewinn – nach Abzug der Hälfte der Unkosten, versteht sich.«

»Aber …«

Quinn wandte sich zur Tür. »Das dürfte für uns beide das Beste sein, und eine andere Alternative gibt es nicht, ich werde also nicht darüber diskutieren. – Gute Nacht.«

Bevor sie noch etwas sagen konnte, hatte er den Raum verlassen, und fassungslos starrte Janey auf die Tür.

Wie kam dieser Kerl eigentlich dazu, sich so aufzuführen? Natürlich hatte sie nicht erwartet, dass er sich mit ihr verbrüderte, doch andererseits musste er sie auch nicht behandeln wie eine Aussätzige.

»Also gut, Cowboy«, murmelte sie vor sich, »du willst Krieg, dann sollst du ihn bekommen. Noch ist das letzte Wort über diese Sache nicht gesprochen.«

Am anderen Morgen war Janey bereits früh auf. Sie hatte nicht sonderlich gut geschlafen, was nicht nur daran gelegen hatte, dass sie sich im Zimmer und Bett ihres Vaters befand. Vorwiegend hatte sie darüber nachgedacht, was sie nun tun sollte, und nach stundenlangem Grübeln hatte sie schließlich eine Lösung gefunden. Entgegen ihrer ursprünglichen Pläne würde sie in Elkpoint bleiben, zumindest für eine Weile. Sie würde sich in Ruhe alles ansehen, bis sie den Betrieb auf der Ranch so weit kennengelernt hatte, dass sie eine vernünftige Entscheidung treffen konnte. Zwar war sie nicht gerade ein Landmensch, aber Quinns Benehmen hatte ihren Widerstand geweckt, und sie hatte nicht vor, sich von ihm einfach so abwimmeln zu lassen.

Glücklicherweise hatte sie noch Anspruch auf ein paar Wochen Urlaub und diesen würde sie nun nehmen, auch wenn es ihrem Chef vermutlich nicht sonderlich gefiel.

Zufrieden mit ihrem Entschluss lief sie hinüber ins Bad, und nachdem sie ausgiebig geduscht und sich angezogen hatte, ging sie nach unten in die Küche.

Dort saß Quinn bereits am Tisch und frühstückte, während Gladys am Herd stand und Pfannkuchen backte.

»Guten Morgen«, wünschte Janey und setzte sich Quinn gegenüber.

Ohne von seinem Teller aufzusehen brummelte er irgendetwas Unverständliches vor sich hin.

Gladys erwiderte ihren Gruß gut gelaunt und stellte eine Tasse Kaffee vor sie hin. »Hast du großen Hunger, oder willst du mit den Gästen essen?«

»Das kann warten«, winkte Janey ab, »ich möchte euch erst etwas mitteilen.«

Gespannt schaute Gladys sie an, Quinn hingegen aß ungerührt weiter und verzog keine Miene.

»Also«, Janey räusperte sich, »ich habe mich entschlossen, für eine Weile hierzubleiben. Ich will den Ranchbetrieb kennenlernen und danach entscheiden, wie es weitergehen soll.«

»Das ist ja eine tolle Nachricht, Kindchen«, strahlte Gladys, »ehrlich gesagt hatte ich das gehofft.« Sie wandte sich an Quinn. »Quinn, Junge, was sagst du denn dazu? Ist das nicht prima? Dann hast du ein bisschen Unterstützung und musst dich nicht alleine mit allem herumplagen.«

»Ja, sicher«, nickte er verächtlich und warf einen Blick auf Janeys High Heels, »ich sehe sie schon vor mir, wie sie in ihren Stöckelschuhen den Pferdestall ausmistet.«

Gladys schaute ihn vorwurfsvoll an. »Quinn …«

Abrupt schob er seinen Teller von sich und stand auf. »Hören Sie, Prinzessin«, sagte er an Janey gewandt, »ich weiß nicht, was Sie sich so vorstellen, aber das hier ist nicht Barbies Ponyhof. Das Leben hier ist Knochenarbeit und nicht halb so romantisch und idyllisch, wie Sie es vielleicht in irgendwelchen kitschigen Filmen gesehen haben. Wenn Sie auf der Ranch bleiben wollen, müssen Sie mit anpacken, und das bedeutet Schmutz, Schweiß und Blasen an den Händen. Falls es Ihnen wirklich ernst ist, machen Sie sich darauf gefasst, dass ich Sie hart rannehmen werde. Ich würde Ihnen also dringend raten, lieber in ihre bequeme Großstadt-Welt zurückzukehren, bevor Sie sich Ihre hübsch lackierten Fingernägel ruinieren – es wäre doch schade darum.«

Er warf ihr noch einen spöttischen Blick zu, dann drehte er sich um und verließ die Küche durch die Hintertür.

Sprachlos saß Janey da, bis Gladys ihr tröstend eine Hand auf die Schulter legte.

»Nimm es ihm nicht übel Kindchen, er ist ein bisschen neben der Spur, seit Jim tot ist. Der Verlust hat ihn sehr getroffen, Jim war wie ein Vater für ihn.«

»Er hasst mich«, stellte Janey finster fest.

»Unsinn. Quinn ist ein lieber Kerl, er muss sich nur erst an die veränderte Situation gewöhnen.«

»Wie lange ist er schon hier?«

»Seit zwölf Jahren, er war damals zwanzig. Jim hat ihn erwischt, wie er ein Huhn klauen wollte. Ich kann mich noch erinnern, wie er ihn hier angeschleppt hat. Er sah wie ein Bandit aus, mit schwarzen Lederklamotten und schulterlangen Haaren. Statt ihn beim Sheriff anzuzeigen, hat Jim ihm einen Job angeboten, und aus dem rebellischen Vagabund einen anständigen, sesshaften Mann gemacht. Quinn hat ihm das nie vergessen, und er hätte sich seine rechte Hand für Jim abgehackt. Als eines Tages der Pferdestall brannte, ist er bei dem Versuch, deinem Vater das Leben zu retten, fast im Feuer umgekommen. Seitdem war das Verhältnis zwischen den beiden noch inniger. Jim hat ihn geliebt wie einen Sohn, und ich glaube, er hat sich damit ein bisschen über dich hinweggetröstet.«

Betroffen schaute Janey sie an. »Ich hatte bis vor ein paar Tagen keine Ahnung, dass … meine Mutter hat mir nie von meinem Vater erzählt.«

Sie presste die Lippen aufeinander. Ihre Mutter. Wie sehr hatte sie sich in ihr getäuscht. Erneut dachte sie an die Auseinandersetzung, die sie miteinander gehabt hatten, nachdem der Brief des Anwalts eingetroffen war. Dann straffte sie die Schultern. Nein, jetzt war nicht der passende Zeitpunkt, um sich damit zu befassen.

»Wie auch immer«, erklärte sie entschlossen, »ich werde hierbleiben, und wenn Quinn sich auf den Kopf stellt.«

Gladys lächelte. »Richtig so, lass dich bloß nicht von ihm ins Bockshorn jagen. Ein bisschen Unterstützung wird ihm sicher guttun. Er arbeitet sowieso zu viel und gönnt sich kaum Freizeit und Spaß. Jede freie Minute verbringt er im Arbeitszimmer, nicht einmal eine Freundin hat er in all den Jahren gehabt.«

Kein Wunder bei seinem Benehmen, ging es Janey durch den Sinn, doch sie hütete sich natürlich, das laut auszusprechen.

»Gut«, sagte sie stattdessen und rieb sich tatendurstig die Hände, »womit fange ich am besten an?«

»Nun«, schmunzelte Gladys und betrachtete sie von Kopf bis Fuß, »ich denke, zunächst brauchst du etwas Vernünftiges zum Anziehen.«

Kapitel 4

Wenig später saß Janey alleine in Gladys‘ Toyota Camry und war unterwegs nach Elkpoint, um sich mit passender Kleidung einzudecken. Dort angekommen stellte sie den Wagen an der Mainstreet ab, und hatte nun zum ersten Mal Gelegenheit, sich den kleinen Ort in Ruhe anzusehen.

Was bei ihrer Ankunft in der Dunkelheit wie ein trostloses Dorf gewirkt hatte, erwies sich nun bei Tageslicht als ein idyllisches Städtchen. Die Fassaden der vorwiegend zweistöckigen Gebäude an der Hauptstraße waren in unterschiedlichen Farben gestrichen. Das Rathaus bildete den zentralen Punkt, links davon lag der Gemeindesaal, rechts ein Souvenirladen. Direkt gegenüber befanden sich die Feuerwehr, die Polizeiwache und ein Diner. Sie schlenderte die Straße hinunter, entdeckte eine Filiale der Farmers National Bank und eine Poststation. Es folgten ein Friseursalon, eine Bar namens Naughty Moose, ein Zeitschriftenladen, eine Apotheke und diverse andere Geschäfte, sogar ein kleines Kino war vorhanden.

Janey lächelte unwillkürlich. Das war also Elkpoint. Ein beschaulicher, hübscher Ort, der wirkte, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Das Städtchen war völlig anders als San Francisco, friedlicher und heimeliger, und irgendwie hatte sie das Gefühl, hier willkommen zu sein.

Nachdem sie sich ausgiebig umgeschaut hatte, überquerte sie die Straße und betrat den Laden, den Gladys ihr empfohlen hatte, Salingers Store. Drinnen wurde sie sofort von einer älteren, rundlichen Frau in Empfang genommen.

»Hallo Kindchen, du musst Janey sein«, lächelte sie mütterlich. »Ich bin Ada Salinger, und das«, sie deutete auf einen Mann Mitte fünfzig, der hinter der Ladentheke stand, »ist mein Ehemann Harold.«

»Ja, ich bin Janey Richards, James Andersons …«

»… Tochter«, unterbrach Ada sie, »ich weiß, Gladys hat es mir bereits am Telefon erzählt. So eine Überraschung, dich nach all den Jahren wiederzusehen. Aus dem winzigen Baby von damals ist eine hübsche, junge Frau geworden.«

Janey wurde rot. »Also, ich bräuchte ein bisschen Kleidung.«

»Ja, sicher«, nickte die ältere Dame und führte Janey zwischen den Regalen entlang in den hinteren Bereich des Stores. »Gladys sagt, du wirst eine Weile hierbleiben und brauchst eine Grundausstattung.«

Sie suchte einige Jeans, Sweatshirts, T-Shirts und Pullover zusammen, drückte sie Janey in die Hand und schob sie zu einer Ecke, die durch einen Vorhang abgeteilt war und als Umkleidekabine fungierte.

»Dort kannst du die Sachen anprobieren.«

Während Janey sich umzog, plauderte Ada munter weiter. »Dir gehört jetzt also die Hälfte der Bear Paw Ranch«, stellte sie fest, »weißt du schon, was du damit vorhast?«

»Nein, noch nicht. Ich werde mir alles ansehen, und mir dann zusammen mit Mr. Majors überlegen, was wir machen wollen.«

»Ach ja, Quinn. Er ist so ein netter Junge«, erklärte Ada, und Janey fragte sich, ob sie beide von dem gleichen ungehobelten Klotz sprachen.

»Er ist manchmal ein bisschen verschlossen, aber er hat das Herz am rechten Fleck«, fuhr Ada fröhlich fort, »ihr werdet euch sicher prima verstehen. – Falls du länger hierbleibst, musst du unbedingt einmal zu unserem Frauenabend kommen. Die anderen sind schon ziemlich neugierig auf dich, und es wäre eine gute Gelegenheit für dich, ein paar Freundschaften zu knüpfen.«

Janey schmunzelte in sich hinein. Es sah ganz so aus, als wäre sie momentan das Tagesgespräch hier in Elkpoint, doch seltsamerweise machte ihr das gar nichts aus. In solch kleinen Orten wurde nun einmal getratscht, und wenn alle das auf so eine liebenswürdige Art taten wie Gladys und Ada, konnte sie damit leben.

Sie trat aus der Kabine und gab Ada die Sachen. »Das passt alles wie angegossen, ich nehme es. Ich brauche dann noch Schuhe und Unterwäsche.«

Ada nickte, und kurz darauf hatte Janey ein Paar Cowboystiefel und ein Paar Turnschuhe ausgesucht, sowie eine dicke, gefütterte Jacke. Danach führte Ada sie zu einem Regal mit Unterhemden, BHs und Slips.

»Welche Größe hast du denn?«

Janey zog beim Anblick der baumwollenen Sachen die Nase kraus und ein wissendes Lächeln glitt über Adas Gesicht.

»Ich nehme an, du hast dir etwas anderes vorgestellt.« Als Janey verlegen mit den Achseln zuckte, nahm sie ihren Arm. »Dann werde ich dir wohl mal unsere Sonderkollektion vorführen.«

Sie schob Janey an der Theke vorbei in einen Gang und durch eine Tür, die in ein Büro führte. Dort trat sie an einen Schrank und öffnete das Vorhängeschloss, mit dem er verschlossen war.

Beim Anblick des Inhalts riss Janey erstaunt die Augen auf. Das Erste, was sie sah, waren zwei Reihen Erotikfilme. In den Regalen darunter befanden sich außer diversen Vibratoren auch Gleitmittel und ausgefallenere Dinge wie Handschellen und Augenmasken, sie entdeckte sogar eine aufblasbare Puppe.

»Das ist unsere Spezialabteilung«, kicherte Ada. »Natürlich können wir diese Sachen nicht vorne im Laden ausstellen, aber jeder weiß, dass es sie gibt.« Sie holte einen umfangreichen Karton hervor und stellte ihn auf den Schreibtisch. »Ich denke, das hier dürfte eher nach deinem Geschmack sein.«

Janey kramte in der Kiste herum, die mit Dessous in allen Varianten und Farben gefüllt war, und es dauerte nicht lange, bis sie mehrere Ensembles in ihrer Größe gefunden hatte.

»Diese hier nehme ich«, erklärte sie und drückte Ada die Slips und BHs in die Hand.

»Eine gute Wahl. Du siehst darin bestimmt ganz reizend aus.«

Vermutlich weiß morgen halb Elkpoint, welche Unterwäsche ich trage, dachte Janey amüsiert, während sie der älteren Frau zurück in den Verkaufsraum folgte.

​​ Dort packte Ada alles ein, Janey bezahlte und nahm die Tüten. »Vielen Dank und auf Wiedersehen«, verabschiedete sie sich.

»Bis bald Kindchen«, lächelte Ada, »und wenn du etwas brauchst oder Fragen hast, kannst du jederzeit herkommen – hier in Elkpoint sind wir immer füreinander da.«

Unterdessen servierte Gladys den Gästen das Frühstück und ging anschließend hinüber in den Stall, wo Quinn dabei war, die Pferde für einen Ausflug vorzubereiten.

»Falls du hier bist, um mir eine Moralpredigt zu halten, spar dir den Atem«, brummte er über die Schulter, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.

»Das habe ich nicht vor. Ich wollte dich nur daran erinnern, dass sie Jims Tochter ist«, erklärte Gladys und fügte mit einem kleinen Lächeln hinzu: »Sie sieht ihm sehr ähnlich.«

»Das ist nicht zu übersehen«, murmelte Quinn verbissen in sich hinein.

»Es würde ihm bestimmt nicht gefallen, wie du sie behandelst.«

»Ich behandle sie, wie sie es verdient hat. Sie hat sich all die Jahre nicht für ihren Vater interessiert, und denkt jetzt, sie kann hier die Chefin spielen.«

»Ich glaube kaum, dass das ihre Absicht ist«, nahm Gladys Janey in Schutz.

Quinn richtete sich auf, drehte sich um und funkelte die Haushälterin an. »Mir egal, ich will sie hier nicht haben, basta. Sie ist ein verwöhntes Stadtpflänzchen und wird garantiert nur Ärger machen. Je eher sie wieder verschwindet, desto besser.«

»Den Gefallen wird sie dir wohl nicht tun, immerhin gehört ihr nun die Hälfte der Ranch. Es war Jims letzter Wunsch, und du solltest das respektieren. Du arbeitest viel zu hart, und es wäre nicht verkehrt, wenn du ein bisschen Unterstützung hättest.«

»Pah, Unterstützung«, schnaubte er verächtlich. »Ich wette, sie hat sich noch nie in ihrem Leben die Hände schmutzig gemacht.«

»Vielleicht irrst du dich, ich glaube, du solltest sie nicht unterschätzen.«

Schweigend schaute er sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Das werden wir sehen«, sagte er nach einer Weile grimmig. »Ich kann wohl nichts dagegen tun, dass sie hierbleibt, aber wenn sie erwartet, dass alles nach ihrem Kopf geht, hat sie sich geschnitten. Ich werde sie so striezen, dass sie sich sehr bald wünschen wird, sie wäre mit ihrem vornehmen Hintern in San Francisco geblieben.«

»Übertreib es nicht«, warnte Gladys, »der Schuss könnte auch ganz schnell nach hinten losgehen.«

Quinn grinste breit. »Nur keine Bange«, winkte er ab, »mit diesem verwöhnten Prinzesschen werde ich schon fertig.«

Als Janey aus Elkpoint zurückkehrte, ging sie zunächst in die Küche, um Gladys ihren Wagenschlüssel wiederzugeben.

»Warst du erfolgreich?«, wollte die Haushälterin wissen. »Natürlich sind die Geschäfte hier bei uns kein Vergleich zu dem, was du vermutlich von San Francisco gewohnt bist.«

»Nicht unbedingt, aber ich habe alles, was ich brauche.« Janey packte den Inhalt der Einkaufstüten aus und breitete ihn auf dem Tisch aus. »Drei Jeans, T-Shirts, mehrere Sweatshirts, zwei dicke Pullover, eine gefütterte Jacke, Wollsocken und ein paar Slips und BHs.«

Gladys warf einen Blick auf die Dessous und schmunzelte. »Nun, das ist nicht gerade das, was man sich unter warmer Unterwäsche vorstellt.«

»Ich weiß«, Janey wurde ein wenig rot, »doch ich konnte mich beim besten Willen nicht dazu durchringen, mir irgendwelche baumwollenen Liebestöter zu kaufen.« Sie öffnete den Deckel eines großen Kartons. »Und natürlich habe ich mir auch ein Paar Cowboystiefel sowie Turnschuhe besorgt.«

»Na, dann bist du ja jetzt einigermaßen ausgerüstet«, nickte Gladys zufrieden.

»Ja, für drei bis vier Wochen dürfte es wohl reichen.« Janey stopfte alles wieder in die Taschen. »Okay, also werde ich mich mal umziehen.«

»Du musst dich nicht beeilen. Quinn ist mit den Gästen unterwegs und wird erst gegen Abend zurück sein, und vorher kannst du sowieso nichts tun.«

»Schade, ich hätte gerne gleich angefangen.«

Gladys lächelte verständnisvoll. »Wenn du Lust hast, kannst du mir ein bisschen Gesellschaft leisten. Du könntest mir zur Hand gehen, und ich erzähle dir nebenbei ein wenig von deinem Vater und über die Ranch.«